Rz. 3
§ 60 regelt die allgemeinen Auskunftspflichten Dritter auf Verlangen der Agentur für Arbeit oder des an deren Stelle getretenen kommunalen Trägers. Die in der Vorschrift niedergelegt Auskunfts- und Mitwirkungspflichten verfolgen das Ziel, die für die Leistungsgewährung erheblichen Tatsachen ermitteln zu können, und sollen zudem Leistungsmissbrauch vermeiden helfen. Die Auskunftspflichten nach § 60 Abs. 1 bis 4 sind öffentlich-rechtliche Verpflichtungen des Dritten (allg. Meinung vgl. Blüggel, in: Luik/Harich, SGB II, § 60 Rz. 7 m. w. N.; Heitmann, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 60 Rz. 8). Die Ermittlungen nach § 60 kommen regelmäßig erst dann in Betracht, wenn dem Antragsteller Mitwirkungspflichten nicht obliegen, der Antragsteller seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. nachgekommen ist, der Sachverhalt aber noch nicht geklärt ist oder Ermittlungen bei Dritten erforderlich sind. Die Vorschrift regelt, bezüglich welcher Tatsachen Dritte auskunftspflichtig sind und unter welchen Voraussetzungen. Sie erstreckt die nach § 60 SGB I für Antragsteller und Leistungsbezieher bestehende allgemeine Mitwirkungspflicht, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, auf alle natürlichen oder juristischen Personen, die an Leistungsberechtigte Leistungen erbringen, die geeignet sind, Leistungen nach dem SGB II zu mindern oder auszuschließen. Sie ist Ausdruck der erhöhten Sozialpflichtigkeit der Arbeitgeber und der diesen Gleichgestellten (BSG, Urteil v. 18.5.1995, 7 RAr 2/95).
Rz. 4
Die §§ 98 und 99 SGB X werden ergänzt. § 99 Satz 1 Nr. 2 SGB X, der auf § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 SGB I sowie auf § 65 SGB I verweist, wird durch § 60 Abs. 2 Satz 1 verdrängt. Dem Träger der Grundsicherung werden durch diese Vorschrift nicht weitergehende Auskunftsrechte eingeräumt (vgl. zu § 144 AFG: BSG, Urteil v. 16.8.1989, 7 RAr 82/88). Auskünfte auf Fragen, deren Beantwortung den Auskunftspflichtigen oder ihm nahestehende Personen der Gefahr einer Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat aussetzen würden, können verweigert werden. Maßgebend ist dabei nicht, dass die Auskunft mit Sicherheit zu einem solchen Nachteil führen wird, sondern nur, dass die Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung besteht (Heitmann, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 60 Rz. 5).
Rz. 5
Das Auskunftsersuchen stellt einen selbstständigen Verwaltungsakt gemäß §§ 31 ff. SGB X dar. Das Auskunftsverlangen des Grundsicherungsträgers muss nach § 33 Abs. 1 SGB X hinreichend bestimmt sein. Hierzu gehört die Angabe der auskunftspflichtigen Person sowie der Tatsachen, auf die sich das Auskunftsverlangen bezieht und deren Bedeutung für die beantragte oder bereits gewährte Leistung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.10.2016, L 6 AS 328/16).
Rz. 6
Wird eine Auskunft nach § 60 nicht, nicht richtig oder nicht vollständig erteilt, können sich nach § 62 Schadensersatzansprüche ergeben.
Rz. 7
Die Auskunftsverpflichtungen nach den Abs. 1 bis 4 beziehen sich grundsätzlich nur auf Tatsachen (Blüggel, in: Luik/Harich, SGB II, § 60 Rz. 37 m.w.N). Tatsachen sind alle vergangenen, gegenwärtigen, zukünftigen oder hypothetischen Geschehnisse, die zum Zeitpunkt des Geschehens mit den menschlichen Sinnen wahrnehmbar sind. Die Abgabe einer (rechtlichen) Wertung kann also vom Arbeitgeber oder sonstigen Dritten nicht verlangt werden. Es kann also vom Arbeitgeber nicht verlangt werden, dass bestimmte Rechtsbegriffe tatbestandlich erfüllt sind. Das Auskunftsersuchen ist nur soweit gerechtfertigt, als die Auskunft zur Durchführung der Arbeiten nach dem SGB II erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der zuständige Träger die gewünschten Informationen benötigt, um über die erstmalige Leistungsgewährung oder die Weitergewährung von Leistungen entscheiden zu können. Erforderlich können die Auskünfte auch dann sein, wenn die Information der Agentur für Arbeit zwar bereits bekannt ist, diese die Information aber noch überprüfen muss. Kann der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II schon aus Rechtsgründen verneint werden, kann die Agentur für Arbeit keine weiteren Auskünfte mehr einholen (Becker, in: jurisPK-SGB II, § 60 Rz. 31). Insoweit ist der Grundsicherungsträger zunächst verpflichtet, den beantragten Leistungsanspruch dem Grunde nach zu klären.
Rz. 8
Die Auskunftsverpflichtung besteht während der gesamten Dauer des Leistungsbezugs bis zu dessen endgültigem Abschluss. Wird der Leistungsantrag abgelehnt und ist die Ablehnung bestandskräftig oder wurde der Antrag zurückgenommen, endet die Auskunftspflicht (Becker, in: jurisPK-SGB II, § 60 Rz. 26). Den Tatbeständen des § 60 ist zudem gemein, dass der Leistungsberechtigte bzw. sein Angehöriger der Einholung von Auskünften nicht zustimmen muss. Die geregelten Auskunftspflichten greifen also unabhängig von einem evtl. tatsächlich oder mutmaßlich entgegenstehenden Willen des Leistungsberechtigten. Die Auskunftspflicht nach § 60 besteht nicht, soweit sie für den Ersuchten unzumutbar oder unverhältnismäß...