Rz. 8
Die zum Schadenersatz verpflichtende Handlung – die Pflichtverletzung gegenüber dem Träger der Grundsicherung – liegt in dem nicht, nicht richtig oder nicht vollständigen Ausfüllen der Einkommensbescheinigung oder der nicht, nicht richtigen oder nicht vollständigen Erteilung der Auskunft nach § 57 oder § 60. § 60 Nr. 2 ermächtigt die Jobcenter nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich aber nicht dazu, von einem Partner des Leistungsberechtigten Auskunft mit Blick auf einen möglichen Schadensersatzanspruch zu verlangen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.12.2022, L 229 AS 2166/17). Eine Einkommensbescheidung ist nicht vollständig ausgefüllt, wenn Angaben unterblieben sind, die nach § 58 erforderlich sind (Heitmann, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 62 Rz. 5). Wird die Einkommensbescheinigung zu spät erstellt, kommt ein Schadenersatzanspruch nach § 62 Nr. 1 trotz des Fehlens der Formulierung "nicht rechtzeitig" in Betracht, wenn die Behörde eine angemessene Frist gesetzt hat (Heitmann, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 62 Rz. 6; Blüggel, in: Luik/Harich, SGB II, § 62 Rz. 6, wonach die verspätete Erfüllung eine besondere Form der Nichterfüllung ist; ebenso: Mushoff, in: BeckOK, SGB II, § 62 Rz. 5). Allerdings dürfte eine verspätete Erteilung der Auskunft nach Nr. 1 nur dann einen Schadenersatz begründen können, wenn der Grundsicherungsträger eine angemessene Frist für die Auskunft gesetzt hat und die gesetzte Frist vom Arbeitgeber nicht eingehalten wurde.
Rz. 9
Unproblematisch ist in der Praxis die vollständige Nichterfüllung oder die unvollständige Erfüllung der Bescheinigungs- oder Auskunftspflicht, jedenfalls soweit schriftliche Angaben auf Formularvordrucken verlangt werden. Unvollständig ist die Bescheinigung dann, wenn die in § 58 geforderten Angaben teilweise fehlen, die zur Ermittlung der Leistung erforderlich sind. Soweit in einem Formular Antworten erbeten werden, die vom Gesetz nicht gefordert sind bzw. die keine Relevanz für die Leistungsgewährung haben, führt eine unterlassene oder unrichtige Beantwortung dieser Fragen nicht zu einer Schadenersatzpflicht. Schwierig zu beurteilen kann hingegen die Frage des unrichtigen Ausfüllens sein. Unrichtig ausgefüllt ist eine Einkommensbescheinigung nur dann, wenn auf eine eindeutige Frage eine falsche Antwort gegeben wird. Werden zusätzliche Angaben getätigt oder werden zusätzlich Rubriken auf einem Formular falsch ausgefüllt, die andere, im konkreten Einzelfall nicht zutreffende Fallgestaltungen betreffen, liegt keine Pflichtverletzung vor (vgl. BSG, Urteil v. 30.11.1990, 11 RAr 11/89). Eine rechtliche Wertung darf in der Einkommensbescheinigung nach § 57 oder der zu erteilenden Auskunft nach § 57 nicht verlangt werden (Blüggel, in: Luik/Harich, SGB II, § 62 Rz. 12). Die Rechtslage entspricht derjenigen zu § 312 SGB III (vgl.BSG, Urteil v. 11.1.1989, 7 RAr 88/87). Selbst eine unrichtige Rechtsanwendung kann keinen Schadenersatzanspruch begründen, da nur die Angabe von Tatsachen erforderlich ist (vgl. BSG, Urteil v. 28.6.1991, 11 RAr 117/90).