2.1 Grundsätze des Ordnungswidrigkeitenrechts
Rz. 4
Ordnungswidrigkeiten sind die "kleinen Münzen des Strafrechts". Sie sanktionieren Gesetzesverstöße minder schweren Unrechts- und Schuldgehalts verglichen mit den Straftatbeständen. Verstöße gegen Regelungen zur Erleichterung der Verwaltungstätigkeit sind nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Ordnungswidrigkeitenrecht zuzuweisen (BVerfG, Beschluss v. 21.6.1977, 2 BvR 70/75 und 2 BvR 361/75, BVerfGE 45, 272, 289; Baumann/Weber/Mitsch, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 10. Aufl., § 4 Rn. 14 ff.). Das Verfahrensrecht bestimmt sich nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG).
Rz. 5
Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, das die Ahndung mit einer Geldbuße zulässt (§ 1 Abs. 1 OWiG). Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung ist eine rechtswidrige Handlung, die den Tatbestand eines Gesetzes verwirklicht, auch wenn sie nicht vorwerfbar begangen wurde. Täter einer Ordnungswidrigkeit kann nur eine handlungsfähige natürliche Person sein. Richtet sich der Vorwurf gegen ein Unternehmen oder einen Betrieb, wird das Bußgeldverfahren stets gegen den Inhaber durchgeführt.
Rz. 6
Nach § 14 OWiG gilt für den Bereich des vorsätzlichen Handelns das sog. Einheitstäterprinzip. Allein entscheidend für die Täterschaft ist die Kausalität des Tatbeitrags für den Erfolg, den Gesetzesverstoß, d. h., dassjeder, der vorsätzlich den Entschluss eines anderen zum vorsätzlichen Gesetzesverstoß hervorruft und jeder, der vorsätzlich den vorsätzlichen Gesetzesverstoß eines anderen fördert, Täter der Ordnungswidrigkeit ist. Wer fahrlässig einen Beitrag zur Gesetzesverletzung leistet, ist ebenfalls Täter der Ordnungswidrigkeit, wenn er in seiner Person die weiteren täterbezogenen besonderen Eigenschaften erfüllt.
2.2 Gesetzesverstoß
Rz. 7
Ordnungswidrig handelt, wer gegen die abschließend aufgezählten Tatbestände des § 63 Abs. 1 Ziff. 1 bis 7 verstößt. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht ist der Grundsatz des Analogieverbots und der Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG bei der Auslegung der Tatbestände zu beachten (BVerfG, Beschluss v. 29.11.1989, 2 BvR 1491/87 und 2 BvR 1492/87; BVerfG, Beschluss v. 1.12.1992, 1 BvR 88/91 und 1 BvR 576/91). Das inkriminierte Verhalten erschöpft sich in allen Tatbeständen in schlichten Tätigkeiten bzw. deren nicht oder nicht ordnungsgemäßer Vornahme. Ein Erfolg, Schaden oder Nachteil ist nicht Tatbestandsvoraussetzung.
2.2.1 § 63 Abs. 1 Nr. 1
Rz. 8
Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 57 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt. Im Gegensatz zu § 62 Nr. 2, der nur an die nicht, nicht richtige oder nicht vollständige Erteilung der Auskunft eine Schadenersatzpflicht knüpft, wird auch die nicht rechtzeitig erteilte Auskunft als ordnungswidriges Verhalten mit Geldbuße bestraft. Nach § 57 Satz 1 haben Arbeitgeber dem Jobcenter auf dessen Verlangen Auskunft über solche Tatsachen zu geben, die für die Entscheidung über einen Anspruch nach dem SGB II erheblich sein können. Die in § 57 enthaltene Auskunftspflicht des Arbeitgebers wegen Leistungen nach dem SGB II gilt nicht nur gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, sondern auch gegenüber zugelassenen kommunalen Trägern wie dem Jobcenter (OLG Koblenz, Beschluss v. 29.10.2018, 2 OWi SsBs 108/18). Nach § 57 Satz 2 erstreckt sich diese Auskunftspflicht des Arbeitgebers auch auf Angaben über das Ende und den Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Nicht eindeutig im Gesetz geregelt ist, wann die Auskunftserteilung "nicht rechtzeitig" ist, weil § 57 insoweit keine Zeitvorgaben enthält. Die Zeitvorgabe kann sich insofern nur aus der Aufforderung der Arbeitsagenturen ergeben. Eine Auskunft ist z. B. dann "nicht rechtzeitig", wenn sie nicht in der von der Arbeitsagentur gesetzten Frist erteilt wird, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Eine Auskunft ist nicht erteilt, wenn sie beim Jobcenter bis zum Erlasszeitpunkt des Bußgeldbescheides nicht eingegangen ist.
Stets wird die Verpflichtung des Arbeitgebers nur auf Verlangen der Agentur für Arbeit oder eines anderen Trägers der Grundsicherung ausgelöst.
Rz. 9
Täter ist der Arbeitgeber, der auf Verlangen der Agentur für Arbeit eine Auskunft über leistungserhebliche Tatsachen nicht erteilt. Normadressat ist aber auch nach § 9 OWiG ein Vertreter oder Beauftragter des Arbeitgebers. Objektives Tatbestandsmerkmal einer Ordnungswidrigkeit nach Nr. 1 ist eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine durch einen nicht mehr anfechtbaren oder sofort vollziehbaren Verwaltungsakt konkretisierte Handlungspflicht (OLG Koblenz, Beschluss v. 29.10.2018, 2 OWi 6 SsBs 108/18). Tathandlungen können das Nicht-, nicht richtige, nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Erteilen der Auskunft sein. Entscheidend ist allein, dass der Arbeitgeber keine Auskunft über Tatsachen gegeben hat. Er ist nicht verpflichtet, eine rechtliche Würdigung vorzunehmen (Fachliche Weisung der Bundesagentur für Arbeit, Stand 4/2020). Soweit also dem Verpflichteten in unzulässiger Wei...