Rz. 5
Dem Tatbestandsmerkmal "für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs" kommt keine eigenständige Bedeutung zu (Münder/Thie, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 64 Rz. 4). Das folgt bereits daraus, dass die Vorschriften der §§ 304 bis 308 SGB III durch das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung v. 23.7.2004 mit Wirkung zum 1.8.2004 aufgehoben wurden und die entsprechenden Vorschriften in die §§ 3 ff. des Schwarzarbeitsgesetzes übernommen wurden. Auf dieses Gesetz verweist das SGB II nicht.
2.1.1 Mitwirkungs- und Duldungspflichten nach § 319 SGB III
Rz. 6
Für die Bekämpfung des Leistungsmissbrauchs wird auf § 319 SGB III verwiesen. Diese Regelung findet entsprechende Anwendung. Es handelt sich um eine dynamische Verweisung auf § 319 SGB III in der jeweiligen Fassung. Die Verweisung bezieht sich auch auf die Tatbestandsvoraussetzungen der verwiesenen Norm, weshalb eine Rechtsgrundverweisung vorliegt (Münder/Thie, in: Münder/Geiger/Lenze, SGB II, § 64 Rz. 3).
§ 319 SGB III geht auf das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung v. 23.7.2004 zurück und ist mit Wirkung zum 1.8.2004 in Kraft getreten. Zuletzt wurde § 319 SGB III durch Gesetz v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 geändert.
Rz. 7
§ 319 SGB III regelt Mitwirkungs- und Duldungspflichten. Damit wird gewährleistet, dass die Träger der Grundsicherung, wenn sie eine Leistung der Arbeitsförderung gewähren, Einsicht in die relevanten Unterlagen nehmen können. Nach § 319 Abs. 1 SGB III hat, wer eine Leistung der Arbeitsförderung beantragt, bezogen hat oder bezieht oder wer jemanden, bei dem dies der Fall ist oder für den eine Leistung beantragt wurde, beschäftigt oder mit Arbeiten beauftragt, der Bundesagentur, soweit dies zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich ist, Einsicht in Lohn-, Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen und während der Geschäftszeit Zutritt zu seinen Grundstücken und Geschäftsräumen zu gewähren. In automatisierten Dateien gespeicherte Daten hat der Arbeitgeber nach § 319 Abs. 2 SGB III auf Verlangen und auf Kosten der Agenturen für Arbeit auszusondern und auf maschinenverwertbaren Datenträgern oder in Listen zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber darf maschinenverwertbare Datenträger oder Datenlisten, die die erforderlichen Daten enthalten, ungesondert zur Verfügung stellen, wenn die Aussonderung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre und überwiegende schutzwürdige Interessen der Betroffenen nicht entgegenstehen. In diesem Fall haben die Agenturen für Arbeit die erforderlichen Daten auszusondern. Die übrigen Daten dürfen darüber hinaus nicht verarbeitet und genutzt werden.
2.1.2 Entsprechende Anwendung
Rz. 8/9
Da § 319 SGB III entsprechend anzuwenden ist, sind die Abweichungen und Besonderheiten des SGB II zu berücksichtigen: Die Bezugnahme auf das SGB III ist als Bezugnahme auf das SGB II zu lesen, die Behördenzuständigkeit ist im Sinne der Zuständigkeit nach dem SGB II zu lesen.
2.1.3 Umfang
Rz. 10
§ 319 SGB III ist im Zusammenhang mit Auskunftspflichten von Arbeitgebern nach § 60, der § 315 SGB III entspricht, zu sehen. § 319 SGB III regelt eine Mitwirkungspflicht, die im Gegensatz zu § 60 und § 315 SGB III alle Angaben umfasst, die "zur Durchführung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlich" sind.
Bestätigt wird dies durch die Entstehungsgeschichte des § 319 SGB III. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten alle Leistungen der Arbeitsförderung nach § 3 zu einem Einsichtsrecht der Agentur für Arbeit führen, da dies dem gesetzgeberischen Zweck, Leistungen effizienter zu erbringen, diene (BT-Drs. 15/1515 S. 216). Bei entsprechender Anwendung führen daher alle Leistungen der Grundsicherung zu einem Einsichtsrecht der Träger der Grundsicherung.
2.1.4 Duldungspflichtiger Personenkreis
Rz. 11
Nach § 319 SGB III duldungspflichtig sind der Antragsteller auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, Bezieher und ehemalige Bezieher dieser Leistungen sowie deren Arbeitgeber oder Auftraggeber, bei denen Lohn- und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen (z. B. Listen, Entgeltverzeichnisse, Entgeltbelege von Heimarbeitern) verwahrt werden.
Rz. 12
Nach § 319 Abs. 1 Satz 2 SGB III entsprechend erstreckt sich die Duldungspflicht des Satzes 1 auch auf Dritte, bei denen Lohn- und Meldeunterlagen, Bücher und andere Geschäftsunterlagen und Aufzeichnungen verwahrt werden (z. B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte etc.). Unter "anderen Geschäftsunterlagen" sind Arbeitsverträge, Lohnzahlungsnachweise, Buchungsbelege oder Geschäftsbriefe zu verstehen (Böttiger, in: Luik/Harich, SGB II, § 64 Rz. 11 m. w. N.).
2.1.5 Präventives Einsichtsrecht
Rz. 13
§ 319 SGB III soll den Trägern der Grundsicherung die Möglichkeit geben, präventiv tätig zu werden. Sie sollen die Angaben schon im Leistungsverfahren überprüfen können. Zu diesem Zweck wird den Trägern der Grundsicherung ein eigenständiges Einsichtsrecht eingeräumt. Das bedeutet, dass die Bediensteten der Träger der Grunds...