Rz. 18
Die Kommunalträger-Zulassungsverordnung (KomtrZV) v. 24.9.2004 (BGBl. I S. 2349) regelte aufgrund des § 6a Abs. 2 in der bis zum 10.8.2010 geltenden Fassung, welche kommunalen Träger, die an sich lediglich Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende in dem in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bestimmten Umfang sind, auch als Träger der Leistung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zugelassen wurden. Die dadurch sog. zugelassenen kommunalen Träger traten insoweit an die Stelle der für das Gebiet jeweils zuständigen Agentur für Arbeit (§ 1 Abs. 1 KomtrZV). Das war die Folge arbeitsmarktpolitischer Meinungsverschiedenheiten zwischen den im Bundestag und Bundesrat vertretenen politischen Kräften. Die jeweilige Seite konnte ihre Auffassung, Ansatz über die Bundesagentur für Arbeit bzw. kommunaler Ansatz, aufgrund der bestehenden Mehrheitsverhältnisse nicht durchsetzen. Da die Zulassung kommunaler Träger als alleinige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende in ihrer Gebietskörperschaft auf einer Experimentierklausel beruhte, wurde sie auch befristet. Die Zulassung wurde daher vom BMAS nur für die Zeit v. 1.1.2005 bis 31.12.2010 erteilt (§ 1 Abs. 2 KomtrZV). Abs. 1 Satz 1 bestimmt die Entfristung der Zulassung, wenn weitere Voraussetzungen erfüllt werden.
Rz. 18a
Die Rechtsprechung hat betont, dass die Experimentierklausel allein keinen Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages darstellte, weil die bloße Unsicherheit über eine künftige Trägerschaft der optionalen, an Stelle der Agentur für Arbeit wahrgenommenen Daueraufgaben die Befristung nicht zu rechtfertigen vermag (BAG, Urteil v. 11.9.2013, 7 AZR 107/12, NZA 2014 S. 150). Das dürfte auf die Situation der Antragstellung nach Abs. 4 übertragbar sein.
Rz. 19
Die Entfristung der Zulassungen ist Gegenstand des politischen Kompromisses einer parteiübergreifenden politischen Spitzenrunde im März 2010 im Anschluss an das Urteil des BVerfG v. 20.12.2007, mit dem die Arbeitsgemeinschaften nach § 44b in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung als unzulässige Mischverwaltung von Bund und Kommunen für verfassungswidrig erklärt wurden. § 44b a. F. blieb noch bis zum 31.12.2010 anwendbar, um dem Gesetzgeber ausreichend Zeit für eine Neuregelung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu geben. Der politische Kompromiss verfolgt insbesondere 2 Ziele: Zum einen soll durch eine umfassende Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Vermittlung und Betreuung von Langzeitarbeitslosen ebenso wie die Sicherung des Lebensunterhaltes auch nach 2010 aus einer Hand gewährleistet sein. Zum anderen soll durch eine verfassungsrechtlich abgesicherte Lösung eine dauerhafte und stabile Organisationsstruktur hergestellt und aus dem politischen Streit herausgehalten werden. Eine verfassungsrechtlich abgesicherte Lösung wurde vor allem im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG als unumgänglich angesehen.
Rz. 20
Neben der Schaffung einer verfassungsrechtlich abgesicherten Rechtsgrundlage für eine Mischverwaltung von Bund und Gemeinden zur Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Einfügung eines Art. 91e in das Grundgesetz (GG), der gemeinsame Einrichtungen nach § 44b n. F., die gemäß § 6d die Bezeichnung Jobcenter führen, deckt, stimmen auch die bereits seit 2005 zugelassenen kommunalen Träger mit den Zielsetzungen überein. Daher ist nachvollziehbar, dass die Befürworter kommunaler Lösungen mit Erfolg die Entfristung der zugelassenen kommunalen Trägerschaft fordern konnten. Insoweit sah die Einigung der Jobcenter-Reform vor, dass die existierenden 69 Optionsmodelle (nach Kreisgebietsreformen 67) entfristet werden und dabei auch Gebietsreformen Berücksichtigung finden sollten. Die Entfristungen sind als Teil der Gesamtlösung für die zugelassene kommunale Trägerschaft anzusehen, die ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen Jobcentern als gemeinsame Einrichtungen (75 % der existierenden Aufgabenträger) von Agenturen für Arbeit und kommunalen Trägern und als alleinige Aufgabenträger zugelassene kommunale Träger (25 % der existierenden Aufgabenträger) vorsieht. D.h., dass die Entfristungen in den Anteil der zuzulassenden kommunalen Trägerschaften eingehen. Insgesamt können 110 kreisfreie Städte und Landkreise als alleinige Aufgabenträger nach § 6a zugelassen werden. Durch Gebietsreformen sind es letztlich seit 1.1.2012 108 kreisfreie Städte und Landkreise.
Rz. 21
Das Potenzial nach § 6a Abs. 1 bestand aus folgenden kreisfreien Städten und Landkreisen:
- Baden-Württemberg: Landkreis Biberach, Bodenseekreis, Ortenaukreis, Landkreis Tuttlingen, Landkreis Waldshut,
- Bayern: Stadt Erlangen, Landkreis Miesbach, Stadt Schweinfurt, Landkreis Würzburg,
- Brandenburg: Landkreise Spree-Neiße, Uckermark, Oberhavel, Ostprignitz-Ruppin, Oder-Spree,
- Hessen: Landkreis Main-Kinzig-Kreis, Stadt Wiesbaden, Main-Taunus-Kreis, Landkreis Fulda, Odenwaldkreis, Landkreis Marburg-Biedenkopf, Hochtaunuskreis, Vogelsbergkreis, Landkreis Hersfeld-Rotenburg, Kreis Offenbach, Landkreis Darmst...