Rz. 208
Ein geringer Teil von Arbeitnehmern arbeitet als Grenzgänger. Dieser Personenkreis arbeitet in einem Staat, wohnt aber in einem anderen, benachbarten Staat und überschreitet folglich regelmäßig, z. B. täglich oder wöchentlich die Grenze. Bei Arbeitslosigkeit erhalten Grenzgänger Sozialleistungen von dem Staat, in dem sie wohnen. In Deutschland wohnhafte Grenzgänger, die nach Arbeit im Ausland arbeitslos sind, können deshalb wegen ihres regelmäßig gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen Leistungen auch nach dem SGB II erhalten. Ist der Grenzgänger jedoch Ausländer, ist zu beachten, dass den Grenzgänger der Ausschluss nach Abs. 1 Satz 2 treffen kann. Bei Unionsbürgern haben die Grenzgänger mit Beschäftigung im Ausland keinen Arbeitnehmerstatus, sie sind daher im Verständnis des Freizügigkeitsrechts Nichterwerbstätige. Für ein Aufenthaltsrecht müssen diese Ausländer über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügen; diese erzielen sie meist durch die Beschäftigung im grenznahen Ausland. Sofern diese Mittel jedoch nicht bedarfsdeckend sind, besteht eben nicht automatisch ein Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem SGB II. Zum Berechtigtenkreis auf die Grundsicherungsleistungen gehören die Ausländer nach Abs. 1 Satz 3 einschließlich der Ausländer, die unter die im AufenthG geregelte Altfallregelung fallen (vgl. Rz. 209 ff., insbesondere Rz. 214). Für das LSG Berlin-Brandenburg ist es verfassungsrechtlich undenkbar, dass wegen eines Abschiebungshindernisses die Ausreise nicht verlangt werden kann, gleichzeitig aber kein Leistungsanspruch zuerkannt wird (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.9.2019, L 31 AS 1627/19 B ER).
2.2.3.1 Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG
Rz. 209
Abs. 1 Satz 3 bestimmt, dass Ausländer, die an sich von Leistungen nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 für die ersten 3 Monate nach ihrer Einreise ausgeschlossen sind, bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 gleichwohl zum Berechtigtenkreis für die Grundsicherung gehören, wenn sie sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Das richtet sich nach den §§ 22 bis 26 AufenthG (Änderung bei der Personengruppe nach § 25 Abs. 4a, Abs. 4b, Abs. 5 AufenthG durch die Reform des Asylbewerberleistungsrechts in Bezug auf die Leistungsberechtigung). Zu Fällen der Antragstellung ukrainischer Flüchtlinge nach § 24 Abs. 1 AufenthG vgl. § 74. Soweit das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung erforderlich ist (§ 68 AufenthG), ist darauf hinzuweisen, dass der Ausländer selbst daraus keine Zahlungen beanspruchen kann. Die Verpflichtungserklärung ist eine Garantieerklärung gegenüber deutschen Behörden, die einen Regress ermöglicht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 9.10.2015, L 5 AS 643/15 B ER). Der Verpflichtungsgeber haftet für die Lebensunterhaltskosten auch nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (BVerwG, Urteil v. 26.1.2017, 1 C 10.16). Die Ausländerbehörde hat sich im Zusammenhang mit Verpflichtungserklärungen von der Bonität des Verpflichtungsgebers zu überzeugen. Die Inanspruchnahme des Verpflichtungsgebers ist politisch umstritten, insbesondere auch zwischen Bund und (einigen) Bundesländern. Insbesondere wird die Verpflichtung über die Anerkennung des Asylbewerbers hinaus bezweifelt. Argumentiert wird u. a. mit ausdrücklich anderen Informationen des Verpflichtungsgebers (aufgrund anderer Rechtsauffassung) bzw. rechtlich nicht eindeutige Information des Verpflichtungsgebers. Das BVerwG hat entschieden, dass bei einer Verpflichtungserklärung, mit der sich eine Privatperson zur Ermöglichung der Einreise von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen verpflichtet hat, für deren Lebensunterhalt aufzukommen, für die Bestimmung des "Aufenthaltszwecks" im Ansatz von den verschiedenen Abschnitten des Kapitels 2 AufenthG auszugehen ist. Die zur Ermöglichung einer Einreise als Bürgerkriegsflüchtling nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V. mit einer Landesaufnahmeanordnung abgegebene Verpflichtungserklärung erlischt nicht durch nachfolgende Anerkennung des Begünstigten als Flüchtling und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG, denn beide Aufenthaltserlaubnisse sind solche aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen i. S. d. Kapitels 2 Abschnitt 5 AufenthG. Ihnen liegt derselbe Aufenthaltszweck zugrunde. Gegen die Fortdauer der Haftung aus einer derartigen Verpflichtungserklärung nach Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehen aus Sicht des BVerwG unter dem Gesichtspunkt des Unions- und Völkerrechts keine grundsätzlichen Bedenken. Gleichwohl wird zwischen Bund und Ländern auch eine politische Lösung angestrebt. Es ist zu erwarten, dass den Besonderheiten der Sachverhalte, insbesondere der individuellen Ausgangserwartung des Verpflichtungsgebers noch Rechnung getragen werden kann, unter Umständen sogar mit Wiederauszahlung bereits zurückgezahlter Beträge. Bis zum Sommer 2020 wurde zwar eine politische Lösung erreicht, jedoch keine endgültige Übereinstimmung ...