Rz. 230
Abs. 2 Satz 1 erweitert den berechtigten Personenkreis vom erwerbsfähigen hilfebedürftigen Leistungsberechtigten auf die Bedarfsgemeinschaft. Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt haben auch die Personen, die mit dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Das schließt nach Maßgabe der weiteren Regelungen sowohl Personen ein, die selbst erwerbsfähig sind, aber noch keine eigene Bedarfsgemeinschaft bilden, wie auch nicht erwerbsfähige Personen. Diese benötigen auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, um Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 erhalten zu können. Die Anwendung der Vorschriften über die Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II kann nicht dadurch umgangen werden, dass Leistungen nicht beantragt werden, obwohl bedarfsdeckende Einkünfte nicht vorhanden sind (BSG, Urteil v. 14.6.2018, B 14 AS 23/17 R). Im entschiedenen Verfahren hatte ein Familienvater Leistungen nur für sich und seinen Sohn beantragt und begehrte Leistungen nach § 22 Abs. 1 in voller Höhe (je zur Hälfte für sich und seinen Sohn), obwohl auch die Ehefrau der Bedarfsgemeinschaft angehörte, aber keine Leistungen beantragen wollte, um ihren Aufenthaltsstatus nicht zu gefährden. Auf die Nachvollziehbarkeit der aufenthaltsrechtlichen Gründe kam es für das BSG nicht an. Letztlich ohne Antrag in den Genuss von Grundsicherungsleistungen zu kommen sieht das Gesetz nicht vor.
Rz. 230a
Nach Auffassung des BSG besteht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gegen das Jobcenter statt der zugesprochenen Analog-Leistungen nach dem AsylbLG, wenn eine Antragstellerin unter 15 Jahren wegen des Zusammenlebens mit ihrem Vater zwar grundsätzlich die Voraussetzungen für eine leistungsberechtigte Person nach Abs. 2 erfüllt, aber für sie als Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG jedoch der Leistungsausschluss nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 gilt, wie das BSG mit Urteil v. 21.12.2009 (B 14 AS 66/08 R) schon entschieden hat (vgl. Rz. 203) und woran es festhält (BSG, Urteil v. 14.6.2018, B 14 AS 28/17 R). Etwas Anderes folgt demnach auch nicht aus der RL 2004/83/EG, die mit dem in Art. 28 verwandten Begriff "Sozialhilfe" ebenso wie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Leistungen aus einem bestimmten Existenzsicherungssystem beinhaltete (unter Hinweis in Bezug auf die RL zudem auf BSG, Urteil v. 28.5.2015, B 7 AY 4/12 R).
Rz. 230b
Nicht erwerbsfähige Personen müssen nicht die Leistungsvoraussetzungen erfüllen, die für erwerbsfähige Personen gelten (BSG, Urteil v. 28.10.2014, B 14 AS 65/13 R). Die Regelung stellt allerdings klar, dass die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich an die Existenz eines Erwerbsfähigen geknüpft sind. Eine Bedarfsgemeinschaft kann allerdings bei einem allein lebenden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten auch nur aus dieser einen Person bestehen. In einer Bedarfsgemeinschaft können auch mehrere erwerbsfähige Leistungsberechtigte leben. Aufgrund des Individualanspruchs innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft soll es nicht möglich sein, gleichzeitig als Mitglied zweier Bedarfsgemeinschaften doppelte Leistungen zu erhalten (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.3.2015, L 7 AS 1031/13). Erwerbsfähige Leistungsberechtigte haben Anspruch auf Bürgergeld. Die nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten haben Anspruch auf Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 nach Maßgabe des § 23. Einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat nicht die Bedarfsgemeinschaft insgesamt, sondern jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind auch Anspruchsinhaber. Die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft hat erheblichen Einfluss auf die Leistungen zum Lebensunterhalt im Rahmen der Grundsicherung, weil das Einkommen und Vermögen von Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nach Maßgabe der §§ 11, 12 zu berücksichtigen ist. Zum Wesen der Bedarfsgemeinschaft in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehört die Erwartung des Gesetzgebers, dass grundsätzlich unabhängig von etwaigen Unterhaltsansprüchen nach dem BGB und davon, ob eine Person in der Bedarfsgemeinschaft selbst anspruchsberechtigt nach dem SGB II ist, jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sein Einkommen und Vermögen zur Deckung des Gesamtbedarfes aller Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft einsetzt.
Rz. 231
Das gilt z. B. auch für Einkommen des Partners, wenn dieser nicht zum Berechtigtenkreis des SGB II, aber zur Bedarfsgemeinschaft gehört (vgl. BSG, Urteil v. 15.4.2008, B 14/7b AS 58/06 R). Abgesehen vom Kindergeld trifft dies nur nicht auf Einkommen des Kindes in der Bedarfsgemeinschaft zu; dies wird nicht auf den Bedarf der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Ausgeschlossene Personen (vgl. Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, Abs. 5) können ihrerseits keine Bedarfsgemeinschaft begründen, weil sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten können. Eine Bedarfsgemeinschaft kann auch nur zeitweise bestehen, etwa für die Zei...