0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende v. 3.8.2010 (BGBl. I S. 1112) zum 1.1.2011 in das SGB II eingefügt worden.
Zum 1.1.2011 wurde Abs. 1 durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 453) geändert und Abs. 6 angefügt.
Durch das Neunte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (9. SGB II-ÄndG) v. 26.7.2016 (BGBl. I S. 1824) wurden die Abs. 1, 4, 5 und 6 mit Wirkung zum 1.8.2016 aufgehoben. Zugleich wurde der frühere Abs. 2 zum neuen Abs. 1 und der frühere Abs. 3 zum neuen Abs. 2.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift enthält Übergangsrecht im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Weiteres spezielles Übergangsrecht nach § 75 ist durch Zeitablauf überholt. Daher konnte § 75 insgesamt mit Wirkung zum 1.8.2016 aufgehoben werden (Datenerfassung nach § 51b, Antragstellung zugelassener kommunaler Träger nach Gebietserweiterung und Geschäftsführer in gemeinsamen Einrichtungen). § 76 regelt Übergänge bei den Trägern und dem Dienstbetrieb. Damit sollen insbesondere zeitlich befristete Reibungsverluste vermieden werden, die durch Ressourcen gebunden würden, die für die Betreuung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht mehr zur Verfügung stünden.
Rz. 3
Abs. 1 greift den Sachverhalt auf, bei dem nach früherem Recht, das bis zum 31.12.2010 maßgebend war, in einem Landkreis oder in einer kreisfreien Stadt nicht nur eine Arbeitsgemeinschaft nach § 44b a. F., sondern mehrere Arbeitsgemeinschaften gebildet worden waren. § 44b Abs. 1 Satz 2 a. F. bestimmte dazu nur, dass bei mehreren zuständigen Agenturen für Arbeit im Gebiet eines kommunalen Trägers eine Agentur für Arbeit die Federführung übernehmen sollte, die Bildung mehrerer Arbeitsgemeinschaften war aber nicht ausgeschlossen. Die Übergangsregelung gestattet nunmehr, dass aus jeder Arbeitsgemeinschaft eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b Abs. 1 n. F. gebildet werden darf, eine Zusammenlegung mehrerer Arbeitsgemeinschaften zu einer gemeinsamen Einrichtung also nicht erzwungen wird. Damit wird erreicht, dass die bisherigen operativen Strukturen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende vor Ort beibehalten werden können.
Rz. 4
Abs. 2 verpflichtet die Bundesagentur für Arbeit wie auch die kommunalen Träger zur gegenseitigen Mitteilung aller Tatsachen, die zur Vorbereitung des Wechsels der Organisationsform erforderlich sind. Das betrifft sowohl Sozialdaten in automatisierter und standardisierter Form (Abs. 3 Satz 2) als auch den im Zusammenhang mit der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende möglichen Übergang in zugelassene kommunale Trägerschaft nach § 6a Abs. 2 und 4 sowie Abs. 7. Die Regelung gilt aber auch für den umgekehrten Fall der Aufgabe einer zugelassenen alleinigen kommunalen Trägerschaft. Dazu bestimmt Satz 1 eine eindeutige Rechtsnachfolge bei Wechsel der Trägerschaft, aber auch bei Wechsel der Organisationsform, also z. B. beim Übergang von der Arbeitsgemeinschaft in eine gemeinsame Einrichtung oder von einer getrennten Aufgabenwahrnehmung der beiden Träger in eine gemeinsame Einrichtung. Die Rechtsnachfolge betrifft ausdrücklich auch laufende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren.
2 Rechtspraxis
2.1 Mehrere gemeinsame Einrichtungen auf dem Gebiet einer Kommune
Rz. 5
Die Sonderregelung soll besondere örtliche Gegebenheiten, u. a. aufgrund von Gebietsreformen, berücksichtigen.
Rz. 6
Abs. 2 war im Vorfeld der Neuorganisation nicht unumstritten. Teilweise wurde eine Konkurrenz zu § 6 Abs. 3 gesehen. In Berlin war die Interessenlage durchaus geteilt. Dort bestanden bis zum 31.12.2010 insgesamt 12 Arbeitsgemeinschaften nach § 44b a. F. Fraglich war, ob ab 1.1.2011 nur noch eine gemeinsame Einrichtung zu bilden war, was allerdings nicht im Interesse der Bezirke liegt, die bei 12 gemeinsamen Einrichtungen die Trägerversammlung mit eigenen Vertretern bestücken und damit auch gestaltend in das Geschäft der gemeinsamen Einrichtung eingreifen können. Berlin ist nach Art. 1 Abs. 1 der Verfassung von Berlin eine Stadt und damit kommunaler Träger i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2. Im Falle einer einheitlichen gemeinsamen Einrichtung für ganz Berlin dürfte Berlin durch die Hauptverwaltung 3 oder, falls mit der Regionaldirektion vereinbart, eine größere Zahl von Personen in die Trägerversammlung entsenden. Unabhängig davon könnten Geschäftsstellen bestehen. Es sind auch Gutachten erstellt worden, wonach § 6 Abs. 3 SGB II Berlin durch Landesgesetz ermächtigen soll, statt einer für ganz Berlin zuständigen gemeinsamen Einrichtung für jeden Bezirk eine solche zu bilden. Unter Anwendung des § 76 Abs. 2 SGB II (seit 1.8.2016: § 76 Abs. 1) könne es auch zulässig sein, eine geringere Zahl von gemeinsamen Einrichtungen als 12 in Berlin zu bilden. Diese Auffassungen verkennen § 76 Abs. 1, der e...