Rz. 3
Abs. 1 verdeutlicht, dass Hilfebedürftigkeit umfassend für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nach § 7 zu verstehen ist. Betrachtet werden zwar zunächst allein die wirtschaftlichen Verhältnisse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bei abstrakter Einzelbetrachtung. Die erforderlichen ergänzenden Regelungen enthält Abs. 2. Erhalten i. S. v. Abs. 1 soll keinen tatsächlichen Zufluss voraussetzen, sondern bedeutet vielmehr den Anspruch auf eine Sozialleistung (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 17.8.2015, L 3 AS 370/15 B ER). Über das vorhandene Einkommen und Vermögen hinaus sind alle Potenziale zu aktivieren, die den Umfang staatlicher Hilfen verringern können. Hilfebedürftigkeit liegt nicht wiederholt deshalb vor, weil sich der Hilfebedürftige unwirtschaftlich verhält ("mit seinem Geld nicht auskommt"). Für diese Fälle sieht das Gesetz Leistungsminderungen (vgl. § 31) und Auszahlung in anderen Formen, z. B. als Sachleistung bzw. an empfangsberechtigte Dritte (vgl. § 4 Abs. 1) sowie Erstattungsregelungen vor (§ 34 Abs. 1). Sachleistungen sind mit dem Verkehrswert nach Maßgabe des § 11 und der Bürgergeld-V zu berücksichtigen. Leistungen nach dem SGB II werden grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung, also ggf. bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze für die Altersrente gezahlt, sofern die Anspruchsvoraussetzungen dafür weiterhin vorliegen. Diese werden regelmäßig überprüft (vgl. die Bestimmungen zum Bewilligungsabschnitt in § 41 Abs. 3). In einstweiligen Rechtsschutzverfahren fehlt es an einem Anordnungsgrund für die vorläufige Zuerkennung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wenn einem Antragsteller für einen Monat Barmittel in bedarfsdeckender Höhe zur Verfügung stehen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 22.5.2014, L 2 AS 771/14 B ER u. a.). So wie vom erwerbsfähigen Leistungsberechtigten Erwerbstätigkeit gefordert wird, um Hilfebedürftigkeit zu verringern oder zu beseitigen, besteht bei ernsthafter Möglichkeit der beruflichen Wiedereingliederung ein Vermögensverwertungsschutz wegen besonderer Härte (im entschiedenen Fall war ein selbstbewohntes Hausgrundstück betroffen), sofern dieser nicht ohnehin noch die Karenzzeit nach § 12 Abs. 3 entgegensteht. Die besondere Härte resultiert aus einer absehbar nur kurzen Zeit eines Leistungsbezuges. Die Forderung nach einer mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit bestehenden begründeten Aussicht auf Wiedereingliederung in das Erwerbsleben überspannt die Anforderungen an das Vorliegen einer besonderen Härte (BSG, Urteil v. 30.8.2017, B 14 AS 30/16 R). Demnach liegt insoweit Hilfebedürftigkeit mit Anspruch auf Zuschussleistungen vor. Auf Abs. 4 kommt es daher in derartigen Konstellationen nicht an.
Rz. 4
Abs. 1 Satz 1 betont die vorrangige Verantwortung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten für sich und seine Bedarfsgemeinschaft. Es wird deutlich, dass der Gesetzgeber ein Leitbild für eine Bedarfsgemeinschaft erzeugt hat, das von der Solidarität der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft geprägt ist. Abs. 1 Satz 1 unterstellt gewissermaßen in Anlehnung an einen Haushaltsvorstand einen Vorstand der Bedarfsgemeinschaft. An diesem werden die gesetzlichen Regelungen z. T. sogar prozesshaft sichtbar (von der Vermutungsregelung bis hin zum differenzierten Erstattungsanspruch). Dabei handelt es sich um den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten unabhängig von den tatsächlichen Vermögensverhältnissen in der Bedarfsgemeinschaft. Dieser Ansatz ist zutreffend, weil keine Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II ohne mindestens ein erwerbsfähiges Mitglied existieren kann (§ 7 Abs. 1 Nr. 2), abgesehen von der besonderen Konstellation nach § 7 Abs. 2 Satz 3 in Bezug auf die Leistungen für Bildung und Teilhabe von Kindern und jugendlichen Leistungsberechtigten. Leben in einer Bedarfsgemeinschaft mehrere erwerbsfähige Personen, betrachtet § 9 die Bedarfsgemeinschaft zunächst getrennt aus der jeweiligen Perspektive der einzelnen erwerbsfähigen Mitglieder. Ergänzend werden die nicht erwerbsfähigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft herangezogen. Zur Feststellung, ob ein Kind zur Bedarfsgemeinschaft gehört, sind bei der Feststellung der Bedarfe des Kindes die beantragten Leistungen für Bildung und Teilhabe zu berücksichtigen. Der Bedarf ist um eigenes Einkommen zu vermindern. Kann danach der Lebensunterhalt mit eigenem Einkommen gedeckt werden, greift Abs. 2 nicht für das Kind; es gehört nicht zur Bedarfsgemeinschaft und ist nicht anteilig bedürftig. Die vorrangige Verwendung von Einnahmen betrifft auch solche aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die Tilgung von geschäftlichen Bankkrediten ist nachrangig, und das auch dann, wenn betriebliche Einnahmen bereits mit dem Kontokorrent verrechnet wurden. Insoweit gelten die Einnahmen als bereite Mittel jedenfalls insoweit, als der eingeräumte Kreditrahmen nicht ausgeschöpft ist (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 6.9.2018, L 31 AS 1548/18 B ER). Demgegenüber hat das BSG entschie...