Rz. 11
Abs. 4 hat zum Ziel, einen gerechten Ausgleich zwischen dem Anspruch der Allgemeinheit auf Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Verwertung und den Interessen der Bedarfsgemeinschaft am Erhalt von bestimmten Vermögensgegenständen zu schaffen. In einem Fall ist Hilfebedürftigkeit objektiv gegeben, weil vorhandenes Vermögen aktuell nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nutzbar gemacht werden kann. Damit korrespondiert auch die Verwendung des Begriffes "Verbrauch" in der Vorschrift. Im anderen Fall kann vorhandenes Vermögen verwertet und damit für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden, aber es wird der Bedarfsgemeinschaft nicht zugemutet und dementsprechend stehen keine Eigenmittel als bereite Mittel für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Rechtsfolge ist in beiden Fällen die Verpflichtung des Jobcenters, Hilfe zu leisten, allerdings nach § 24 Abs. 5 nur als Darlehen. Der Gesetzgeber erkennt Hilfebedürftigkeit an, wenn Vermögen aktuell aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv nicht verwertet werden kann. In Abgrenzung zum Einkommen muss zunächst festgestellt worden sein, dass es sich bei der betroffenen Geldsumme bzw. dem betroffenen Gegenstand oder der betroffenen Sache überhaupt um Vermögen handelt. Die Verwertung dieses Vermögens darf auch nicht schlechthin ausgeschlossen sein, denn in diesen Fällen bleibt es nach § 12 Abs. 1 unberücksichtigt. Das gilt auch für die ab 2023 mögliche Karenzzeit nach § 12 Abs. 3. Dann wären Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als Zuschuss zu gewähren. Es kommt also vorrangig auf die Zeitkomponente an, denn einen abweichenden Vermögensbegriff soll die Vorschrift gegenüber § 12 nicht definieren. Zu beachten ist, dass in Bezug auf das Vermögen keine besondere Härte nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 vorliegt, wonach das Vermögen von einer Berücksichtigung freizustellen wäre. Abs. 4 erfasst Vermögen, auf das z. B. aufgrund vertraglicher Bindungen befristet nicht oder erst nach einer Übergangsfrist, z. B. einer vertraglichen Kündigungsfrist, zugegriffen werden kann (Bindung durch Sparverträge). Davon werden auch Fälle erfasst, in denen zumutbare Versuche der Verwertung (bislang) erfolglos geblieben sind. Dafür kann insbesondere die Marktsituation verantwortlich sein (ungünstiger Immobilienmarkt). Es bleibt aber dabei, dass das Vermögen grundsätzlich verwertbar sein muss, also "versilbert" werden kann, um die vom BSG verwendete Begrifflichkeit wiederzugeben.
Rz. 12
Unklar ist die Verwendung des Begriffs "Verbrauch" von Vermögen. Allgemein wird angenommen, dass es sich bei Verbrauch um Bargeld handelt, dass allerdings jederzeit für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden kann und dies kann auch praktisch nie eine besondere Härte bedeuten. Bei der "Verwertung" sind die übrigen Vermögenswerte gemeint. Der Vermögensinhaber muss über die Vermögensgegenstände unbeschränkte Verfügungsmacht haben, damit sie überhaupt verwertet werden können. Eine sofortige Verwertung von Vermögen ist unmöglich, wenn dem (vorübergehende) tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegenstehen. Mangelnde Verfügungsmacht stellt ein rechtliches Hindernis dar.
Rz. 13
Die Vorschrift bezieht nicht die Fallgestaltungen ein, in denen der Vermögensinhaber sofort verwertbares Vermögen nicht verwerten will, weil die Hilfebedürftigkeit z. B. nur vorübergehend ist. Bei einer ablehnenden Haltung ist für ein Darlehen nach § 24 kein Raum mehr (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.8.2009, L 7 AS 852/09 B ER). In diesen Fällen bedarf es einer besonderen Härte (2. Alternative des Abs. 4).
Rz. 13a
Ist die Angemessenheit noch nicht abschließend zu beurteilen, eröffnet sich ein Anwendungsbereich des Abs. 4 für vorläufige bedarfsdeckende Leistungen bei Sicherung der ausgezahlten Beträge durch Eintragung einer Grundschuld (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.7.2015, L 19 AS 82/15 B ER). Vorläufige Leistungen nach § 41a kommen seit dem 1.8.2011 nur noch nach den dort definierten Voraussetzungen und als Zuschuss in Betracht.
Rz. 14
Hilfebedürftigkeit kommt auch in Betracht, wenn der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens eine besondere Härte bedeuten würde. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die (besondere) Härte ist ein im Sozialrecht mehrfach verwandter Begriff, der insbesondere das praktische Bedürfnis des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt, auch besonderen Einzelfällen Rechnung zu tragen. Mit der besonderen Härte wird abstrakt und damit im Detail unscharf beschrieben, was der Gesetzgeber nicht im Detail für jeden von ihm in Betracht gezogenen Einzelfall gesetzlich regeln kann. Es genügt die ausreichende Bestimmtheit gesetzlicher Vorschriften, wenn sich der Begriff durch Auslegung präzisieren lässt. Die Auslegung umfasst auch eine Bewertung aller relevanten Umstände des Einzelfalles. Grundsätzlich gibt es für unbestimmte Rechtsbegriffe nur eine richtige Auslegung, die das Jobcenter ggf. in Abstimmung mit dem verantwortlichen Leistungsträge...