0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Der Inhalt der Vorschrift war bis zum 31.3.2012 in § 174 a. F. enthalten. § 174 a. F. ist durch Art. 1 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) redaktionell geändert worden (Umbenennung der "Bundesanstalt für Arbeit" in "Bundesagentur für Arbeit"). Die Vorschrift ist zuletzt durch Art. 2 Nr. 18 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) zum 1.4.2012 geändert worden. Dabei sind die ehemals in den Vorschriften der §§ 169 ff. enthaltenen Regelungen zum Kurzarbeitergeld (Kug) nun in die §§ 95 ff. überführt worden, ohne dass es dabei zu wesentlichen Änderungen gekommen wäre (vgl. BT-Drs. 17/6277, Begründung zu Art. 2 Nr. 18 S. 102).
1 Allgemeines
Rz. 2
Kug wird nur dann gewährt, wenn der Arbeitsfall auf wirtschaftlichen Gründen beruht. Der Anspruch auf Kug ruht bei Arbeitnehmern in direkt bestreikten Betrieben, weil in diesem Fall der Arbeitsausfall nicht auf wirtschaftlichen Gründen beruht. Abs. 1 regelt die Rechtsfolgen der nur mittelbaren Auswirkungen eines Arbeitskampfes um die Neutralität der Arbeitsverwaltung in Arbeitkämpfen zu sichern. Kommt es streik- oder aussperrungsbedingt mittelbar zu Arbeitsausfällen soll die Bundesagentur für Arbeit nicht durch Gewährung von Kug Einfluss auf die Kampfparität der Tarifvertragsparteien nehmen. Nach Abs. 1 gilt § 160 über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitskämpfen entsprechend für den Anspruch auf Kug bei einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsausfall Folge eines inländischen Arbeitskampfes ist, an dem er nicht beteiligt ist. Arbeitgeber, in deren Betrieben ein Arbeitskampf stattfindet, sind nach § 320 Abs. 5 verpflichtet, bei Ausbruch und Beendigung des Arbeitskampfes der Arbeitsagentur unverzüglich Anzeige zu erstatten. Diese Anzeige ist aber von der Anzeige des Arbeitsausfalls nach § 99 als Voraussetzung für die Gewährung von Kug zu unterschieden. Die Anzeige nach § 320 Abs. 5 ersetzt also nicht die Anzeige über den Arbeitsausfall als materiell-rechtliche Voraussetzung für das Kug.
2 Rechtspraxis
2.1 Kurzarbeitergeld bei Arbeitskämpfen (Abs. 1)
Rz. 3
Abs. 1 verweist auf § 160. Dabei handelt es sich um eine dynamische Verweisung auf die jeweils geltende Fassung von § 160. § 100 gilt nur für die Auswirkungen von inländischen Arbeitskämpfen (Böttiger, in: Böttiger/Kürtek/Schaumberg, SGB III, § 100 Rz. 5; Mutschler, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 100 Rz. 16). Die Vorschrift findet daher auch dann keine Anwendung, wenn sich ausländische Arbeitskämpfe auf die Wirtschaftstätigkeit im Inland negativ auswirken (Böttiger, a. a. O., Rz. 6).
Rz. 3a
§ 160 Abs. 1 regelt das Neutralitätsgebot der Bundesagentur für Arbeit, wonach durch die Leistung von Arbeitslosengeld nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden darf. Die Bundesagentur für Arbeit darf deshalb durch ihre Entscheidung zur Zahlung von Kug nicht in Arbeitskämpfe eingreifen. Die an einem Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf Kug, da der Arbeitsausfall nicht auf unvermeidbaren wirtschaftlichen Gründen nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 beruht. Die Arbeitnehmer sind dann am Arbeitskampf beteiligt, wenn sie selbst und unmittelbar am Arbeitskampf teilnehmen. Ein Eingriff in den Arbeitskampf liegt nicht vor, wenn Arbeitslosengeld an Arbeitslose geleistet wird, die zuletzt in einem Betrieb beschäftigt waren, der nicht dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrags zuzuordnen ist. Ist die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden, so ruht nach § 160 Abs. 2 der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes.
Rz. 3b
§ 160 Abs. 3 regelt dazu folgendes: Ist der Arbeitnehmer durch einen inländischen Arbeitskampf, bei dem er nicht beteiligt ist, arbeitslos geworden, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes nur, wenn der Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war,
- dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen ist oder
nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen ist und im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, dem der Betrieb zuzuordnen ist,
- eine Forderung erhoben worden ist, die einer Hauptforderung des Arbeitskampfes nach Art und Umfang gleich ist, ohne mit ihr übereinstimmen zu müssen, und
- das Arbeitskampfergebnis aller Voraussicht nach in dem räumlichen Geltungsbereich des nicht umkämpften Tarifvertrages im Wesentlichen übernommen wird.
2.2 Glaubhaftmachung des Arbeitgebers (Abs. 2)
Rz. 4
Abs. 2 soll Nachteile für die Arbeitnehmer verhindern, wenn nicht am Arbeitskampf beteiligte Arbeitgeber diesen zum Anlass nehmen, einen Arbeitsausfall lediglich behaupten, um mittelbar am Arbeitskampf mitzuwirken (Kühl, in: Brand, SGB III, § 100 Rz. 4; Bieback, in: Gagel, SGB III, § 100 Rz. 20). Macht der Arbeitgeber geltend, der Arbeitsausfall sei Folge eines Arbeitskampfes, so hat er dies nach Abs. 2 Satz 1 dazulegen und glaubhaft zu machen. Der ...