Rz. 38
Die Sperrzeit grenzt das durch die Arbeitslosenversicherung versicherte Risiko ab. Damit ergänzt die Vorschrift insbesondere § 138, worin Anforderungen an die Arbeitslosigkeit definiert werden und Ansprüche an die Möglichkeit der Beendigung des Versicherungsfalles gestellt werden, weil der Arbeitslose grundsätzlich vermittelbar sein muss, also für eine sozialversicherungspflichtige Arbeit beschäftigungsfähig ist, und der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit auch für Vermittlungsbemühungen zur Verfügung steht. § 159 regelt verminderte Versicherungsleistungen für die Fälle, in denen der Arbeitnehmer seinen Obliegenheiten aus der Arbeitslosenversicherung nicht nachgekommen ist. Das betrifft die Vermeidung des Eintritts von Arbeitslosigkeit ebenso wie ihre Beseitigung. Rücksicht auf persönliche Lebensumstände und Lebensbereiche nimmt die Sperrzeitregelung beim Tatbestandsmerkmal des fehlenden wichtigen Grundes und bei der Abstimmung der versicherungsrechtlichen Konsequenzen mit den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. In die Frage des vorhandenen oder fehlenden wichtigen Grundes geht auch die individuelle Zumutbarkeit bestimmter Verhaltensweisen ein. Bei der Feststellung der Rechtsfolgen zu dem Verhalten des Arbeitslosen finden derartige Gesichtspunkte keinerlei Berücksichtigung mehr, den Agenturen für Arbeit steht ein Ermessensspielraum nicht zu.
Rz. 38a
Das Sperrzeitrecht berührt verfassungsrechtliche Grundsätze insoweit, als dem Arbeitslosen die Versicherungsleistung Alg vorenthalten wird, obwohl das Alg im Grunde sein Eigentumsanspruch ist. Das BVerfG hatte bislang noch nicht grundsätzlich darüber zu entscheiden, ob die Sperrzeitregelung verfassungsrechtlichen Ansprüchen genügt. Die Vorschrift ist wegen ihres Charakters und ihrer weitreichenden Folgen eng auszulegen, Sperrzeiten müssen sich stets am Wortlaut des Gesetzes messen lassen. Dies hat das BSG für das Sperrzeitrecht im Arbeitsförderungsgesetz herausgestellt, als über die Frage zu entscheiden war, ob Sperrzeiten beim Alg und bei der Arbeitslosenhilfe gemeinsam zum Erlöschen des Anspruchs führen können (vgl. BSG, Urteil v. 22.3.1979, 7 RAr 23/78). Die Frage nach einer Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Vorschriften wird wieder diskutiert, nachdem das BVerfG zum früheren sog. Sanktionsrecht nach dem SGB II eine teilweise Verfassungswidrigkeit festgestellt hat. Teilweise wird eine Benachteiligung der Anspruchsinhaber von Alg gegenüber Leistungsberechtigten der Grundsicherung für Arbeitsuchende beklagt, insbesondere nach dem Inkrafttreten des sog. Sanktionsmoratoriums im SGB II am 1.7.2022 (bis 31.12.2022).
Rz. 39
§ 159 hat keine erzieherische Funktion und auch nicht den Charakter einer Strafvorschrift. Die Vorschrift ist lediglich darauf angelegt, eine Manipulation des Risikos der Arbeitslosigkeit zulasten der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung zu vermeiden bzw. den Versicherten an den Folgen seines Verhaltens zu beteiligen, indem für eine begrenzte Zeit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nicht erbracht werden. Das ist leicht nachvollziehbar, weil stets der Arbeitslose den Versicherungsfall herbeigeführt oder an seiner Beseitigung unbegründet nicht oder nicht ausreichend mitwirkt, darin liegt ja gerade die Manipulation des Risikos. Folgeregelungen im SGB II gewährleisten, dass Einbußen beim Alg nicht (weitgehend) durch das Alg II kompensiert werden. Dort sind nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings keine Leistungsminderungen mehr möglich, die 30 % des maßgebenden Regelbedarfs bei einem Leistungsberechtigten übersteigen. Allerdings werden Leistungen nach dem SGB II nur bei Hilfebedürftigkeit erbracht (vgl. §§ 7, 9 SGB II).
Rz. 40
§ 2 Abs. 4 und 5 enthalten verpflichtende Regelungen für die Arbeitnehmer, bei ihren Entscheidungen verantwortungsvoll deren Auswirkungen auf ihre beruflichen Möglichkeiten einzubeziehen und insbesondere ihre berufliche Leistungsfähigkeit den sich ändernden Anforderungen anpassen (§ 2 Abs. 4). Darin sind schon Aspekte der Vermeidung des Versicherungsfalles enthalten. Noch stärker wirken die Obliegenheiten der Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 5, zur Vermeidung oder zur Beendigung von Arbeitslosigkeit zumutbare Beschäftigungsverhältnisse fortzusetzen, eigenverantwortlich (ggf. frühzeitig) nach einer (Anschluss-) Beschäftigung zu suchen, zumutbare Beschäftigungen aufzunehmen und an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen. Die Regelungen sind jedoch lediglich als Programmsätze anzusehen, denen eine Appellfunktion zukommt, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass einem Teil der Arbeitnehmer die Obliegenheiten nicht oder nicht ausreichend bekannt oder bewusst sind und das Anspruchsdenken nicht mit den Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung übereinstimmt. Deshalb sind die Obliegenheiten bereits bei den einleitenden Vorschriften zur Arbeitsförderung zusammengefasst worden. Dagegen stellen die Regelungen keine Erweiterung oder Ergänzung der Sp...