2.1 Regelfall der Überleitung
Rz. 3
Abs. 1 Satz 1 ermächtigt die Agentur für Arbeit, Ansprüche gegen Dritte auf sich überzuleiten und damit einen Forderungsübergang zu bewirken. Eine Überleitung setzt voraus, dass der derzeitige oder frühere Bezieher von Leistungen nach dem SGB III, insbesondere bzw. typischerweise Alg, der Bundesagentur für Arbeit gegenüber erstattungspflichtig nach § 50 SGB X oder einer eigenständigen Erstattungsvorschrift im SGB III ist, z. B. auch aufgrund des § 328 Abs. 3. Die Erstattungspflicht muss dabei nicht schon konkret festgestellt sein. Es ist gerade Sinn und Zweck der Vorschrift, dass der leistungspflichtige Dritte frühzeitig von einem möglichen Forderungsübergang erfährt, damit ein etwaiger Nachzahlungsbetrag oder die nach Abs. 1 Satz 3 überleitbare laufende Leistung nicht ausgezahlt wird. Die Anzeige der Agentur für Arbeit nach Abs. 1 bedarf der Schriftform.
Rz. 4
Es genügt daher, wenn sich eine Erstattungspflicht ergeben wird, falls ein Anspruch besteht bzw. ein Leistungsträger eine Leistung zuerkennt. Das ist z. B. der Fall, wenn die von dem anderen Träger möglicherweise zu erbringende Leistung diejenige nach dem SGB III zum Ruhen bringt. Das ergibt sich aus Abs. 3. Ein Leistungsträger bzw. Leistungsverpflichteter muss die zuständige Agentur für Arbeit bereits über eine Antragstellung unterrichten, damit diese eine Überleitung prüfen kann. Daraus ergibt sich im Grunde ein zweistufiges Verfahren. Nach Kenntnisnahme von einer Antragstellung oder einem möglichen Anspruch leitet die Agentur für Arbeit den Anspruch entweder konkret über, weil der Anspruch bereits feststeht und deshalb auch die Erstattungspflicht festgestellt werden kann, oder sie zeigt die Überleitung von Ansprüchen nur dem Grunde nach an. Dann wartet sie die Mitteilung des Leistungspflichtigen über Art und Umfang des zuzuerkennenden Anspruchs ab, stellt die Erstattungspflicht fest und beziffert den Anspruchsübergang nach Zeitraum und Höhe. Bis dahin kann die Leistung nach dem SGB III weitergezahlt werden. Die stellt ein praktikables Verfahren dar, das auch im Sinne des Leistungsempfängers sein dürfte, damit sich keine Leistungslücken bei der Sicherung des Lebensunterhaltes ergeben. Durch die Überleitung wird die Agentur für Arbeit neue Gläubigerin, das Stammrecht auf die übergeleitete Leistung verbleibt beim erstattungspflichtigen Leistungsempfänger.
Rz. 5
Eine Überleitung von Ansprüchen kommt nur in Betracht, wenn es sich dabei um Ansprüche auf Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes handelt. Die Überleitung z. B. von anderweitig zweckbestimmten Leistungen scheidet aus. Das sind z. B. das Pflegegeld, das Wohngeld nach dem Bundeswohngeldgesetz und das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz. In Betracht kommen aber auch Entschädigungsleistungen nach dem SGB XIV und (ab 1.1.2025 im Wortlaut des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verankert) die Leistungen des Erwerbsschadensausgleichs nach dem Soldatenentschädigungsgesetz. Die früheren Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz (bis 31.12.2023) sind in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 seit dem 1.1.2024 als Leistungen des Berufsschadensausgleichs nach Kapitel 10 des SGB XIV sowie nach Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des SGB XIV vorsehen, bezeichnet worden.
Rz. 6
Die Aufzählung überleitbarer Ansprüche in Abs. 1 Satz 1 ist nur beispielhaft. Übergeleitet werden können insbesondere auch bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche und andere Ansprüche, die als laufende Leistungen zum Lebensunterhalt bestimmt sind.
Rz. 7
Erstattungsansprüche der Leistungsträger nach dem SGB X untereinander sind vorrangig. Es bedarf keines Anspruchsüberganges mehr. Eine Überleitung ist deshalb in diesen Fällen wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zugelassen. Zu den Leistungsträgern vgl. § 12 SGB I. Gemeinsame Einrichtungen der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers (§ 6 Abs. 1 Satz 1 SGB II) nach § 44b SGB II sind keine Leistungsträger i. S. d. § 12 SGB I. Sie nehmen jedoch kraft Gesetzes die Aufgaben der Träger wahr (§ 44b Abs. 1 Satz 2 SGB II). Das Verfahren bei Erstattungsansprüchen der Leistungsträger nach dem SGB X untereinander kann daher auch mit den gemeinsamen Einrichtungen abgewickelt werden. Erstattungsansprüche unter Leistungsträgern kommen vorrangig nach den §§ 103, 104 SGB X in Betracht. Regelfall der Überleitung ist nämlich der Zugriff auf eine Nachzahlung an den Erstattungspflichtigen.
Rz. 8
Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 lässt auch die Überleitung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt zu, wenn die Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis stammen, das während des Erstattungszeitraumes bestanden hat. Hierbei ist zu beachten, dass bereits aus § 115 SGB X ein gesetzlicher Forderungsübergang resultiert, so dass es in diesen Fällen einer Überleitung nicht mehr bedarf (vgl. auch § 157 Abs. 3).
Rz. 9
Aufgrund der vorrangigen Regelungen ist der Anwendungsbereich der gesamten Vorschrift begrenzt. Auf die Möglichkeit, Unterhaltsansprüche überzuleiten, wird in der Praxis meist verzichtet, weil es...