Rz. 24a
Nach der Reform des Gründungszuschusses mit der Umwandlung des früheren Rechtsanspruchs auf den Gründungszuschuss in eine Ermessensleistung ist die befürchtete Welle an Widersprüchen und Klagen ausgeblieben. Auswirkungen auf die Mitnahme von Gründungszuschüssen konnten nicht eindeutig festgestellt werden. Mit der Ermächtigung, nach Ermessen zu entscheiden, hat der Gesetzgeber der Agentur für Arbeit eine Auswahlbefugnis eröffnet. Diese bezieht sich nur auf das "Ob" der Leistung, nicht jedoch auf deren Umfang, Dauer und Höhe (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.5.2021, L 13 AL 1816/17). Die Einräumung von Ermessen erfolgte mit dem Ziel, hierdurch eine höhere Flexibilität bei der Förderung von Gründungen zu ermöglichen. Dabei soll die Behörde aber auch die persönliche Eignung der Gründerin oder des Gründers einschätzen. Im Rahmen der Ermessensausübung ist zu berücksichtigen, dass die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor der Gewährung sonstiger Leistungen der aktiven Förderung hat. Ein Anspruch auf die Gewährung eines Gründungszuschusses kann danach nur bestehen, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt. Im Rahmen von § 93 kann eine Ermessensreduzierung auf Null i. d. R. nur dann angenommen werden, wenn eine Selbstbindung im Einzelfall entweder durch eine entsprechende mündliche Zusage eingetreten ist oder wenn es sich bei der aufgenommenen selbständigen Tätigkeit um die einzige Maßnahme handelt, mit der eine dauerhafte berufliche Wiedereingliederung erreicht werden könnte (LSG Hamburg, Urteil v. 25.9.2019, L 2 AL 47/18). Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt aber nicht vor, wenn die von der Beklagten eruierten offenen Stellen unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Antragstellers anderweitige Eingliederungsmöglichkeiten aufzeigen (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.5.2021, L 13 AL 1816/17).
Rz. 24b
Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung darf die Agentur für Arbeit nach Auffassung des SG Trier der Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis Vorrang vor der Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit einräumen (SG Trier, Urteil v. 1.2.2013, S 1 AL 80/12). Erste Aufgabe der Arbeitsagentur ist es, den Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sind zumutbare Stellenangebote vorhanden, die eine Eingliederung in absehbarer Zeit erwarten lassen, so handelt die Arbeitsagentur ermessensfehlerfrei, wenn sie entsprechend dem Vermittlungsvorrang die Bewilligung des beantragten Gründungszuschusses ablehnt (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 25.6.2019, L 2 AL 9/14).
Rz. 24c
Die Agentur für Arbeit muss den Vermittlungsvorrang im Beratungsvermerk dadurch hinreichend dokumentieren, dass tatsächlich eine positive und gute Arbeitsmarktlage auf dem für den Antragsteller in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestand und von welchen Zeiträumen sie bei ihrer Prognose hinsichtlich der Integration ausgegangen ist. Der Nachweis von nur 9 unbefristeten Stellen sei nicht geeignet, eine positive Arbeitsmarktlage zu dokumentieren (SG Duisburg, Urteil v. 22.1.2014, S 33 AL 239/13). Die Agentur für Arbeit darf nicht davon ausgehen, dass die Gewährung eines Gründungszuschusses die letzte Möglichkeit darstelle, den jeweiligen Antragsteller in den Arbeitsmarkt einzugliedern, wenn alle anderen Möglichkeiten nicht erfolgreich waren (ultima ratio). Andererseits kann der Antrag auf den Gründungszuschuss ermessensfehlerfrei abgelehnt und dabei auf eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt auch ohne Förderung in absehbarer Zeit abgestellt werden (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 28.5.2014, L 18 AL 236/13).
Rz. 24d
Nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg kann in besonders gelagerten Fällen, etwa einer bereits vorangegangenen mehrjährigen Tätigkeit als Student und Rechtsreferendar in derselben Kanzlei und Übernahme des Kundenstamms, für die ablehnende Entscheidung die als belegt angesehene ausreichende soziale Sicherung und die des Lebensunterhalts in der Zeit nach der Existenzgründung herangezogen werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.2.2014, L 8 AL 1515/13). Auch das LSG Sachsen erkennt die eigene Leistungsfähigkeit als Rechtfertigungsgrund für eine den Gründungszuschuss ablehnende Entscheidung an (LSG Sachsen, Urteil v. 10.4.2014, L 3 AL 141/12).