0 Rechtsentwicklung
0.1 Bisheriges Recht
Rz. 1
§ 131 übernimmt weitgehend inhaltsgleich die Bestimmungen in § 79 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019, allerdings für die Zuständigkeit zu Verhandlungen jeweils mit abweichendem Adressatenkreis. Abs. 4 entspricht dem bisherigen § 81 Abs. 1 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019. Vorläufer dieser Regelung war § 93d BSHG. § 93d Abs. 1 BSHG sah eine Ermächtigung des zuständigen Bundesministeriums zum Erlass einer Rechtsverordnung für einen eingeschränkteren Regelungsbereich vor und nicht eine Rechtsverordnungsermächtigung der jeweiligen Landesregierungen. Von dieser wurde kein Gebrauch gemacht. § 93d Abs. 3 BSHG entsprach Abs. 3 zum Erlass von Bundesempfehlungen.
0.2 Vergleich zum Vertragsrecht des Zehnten Kapitels SGB XII ab 1.1.2020
Rz. 2
Die Vorschrift entspricht weitgehend dem § 80 SGB XII des allgemeinen Sozialhilferechts i. d. F. des Art. 13 BTHG mit Wirkung zum 1.1.2020.
0.3 Begrenztes Inkrafttreten zum 1.1.2018 – vollständiges Inkrafttreten zum 1.1.2020
Rz. 3
§ 131 tritt zwar bereits zum 1.1.2018 in Kraft. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Regelung aber erst mit Inkrafttreten der Strukturreform der Eingliederungshilfe (neu) zum 1.1.2020. Im Zeitraum 2018 und 2019 bildet die Vorschrift nur eine Ermächtigungsgrundlage neue Landesrahmenvereinbarungen und Empfehlungen auf Bundesebene mit Wirkung zum 1.1.2020 vorzubereiten und abzuschließen (vgl. Komm. zu § 123 Rz. 6).
1 Allgemeines
Rz. 4
§ 131 regelt Inhalt und Abschluss von Landesrahmenverträgen sowie Empfehlungen auf Bundesebene zum Inhalt der Rahmenverträge. Die Vorschrift zählt zum besonderen Vertragsrecht der Eingliederungshilfe und wurde in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX eingefügt.
Rz. 5
Abs. 1 Satz 2 bestimmt abschließend die Inhalte der Rahmenverträge, darüber hinausgehende Inhalte sind nicht vorgesehen.
Mit Abs. 2 wird die Position der Leistungsberechtigten gestärkt, indem die durch Landesrecht bestimmten maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge mitwirken.
Abs. 3 regelt die Option, Empfehlungen der Vereinigungen der Leistungsträger und der Leistungserbringer auf Bundesebene abzuschließen.
Abs. 4 ermächtigt die jeweilige Landesregierung zur Ersatzvornahme bei Scheitern des Abschlusses eines Rahmenvertrages durch Rechtsverordnung.
2 Rechtspraxis
2.1 Landesrahmenverträge (Abs. 1 und 2)
2.1.1 Regelungsziel
Rz. 6
Ziel der Regelung in den Abs. 1 und 2 ist es, einen Rahmen für den Abschluss landesweit einheitlicher Grundsätze des Vertragsrechts zu geben. Damit wird eine weiter zurückliegende Tradition aufgegriffen, um Bedingungen, die für alle Verträge gelten sollen,"vor die Klammer" zu ziehen (vgl. LSG Hessen, Urteil v. 25.2.2011, L 7 SO 237/10 KL, Rz. 50, Sozialrecht aktuell 2011 S. 117; Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 79 Rz. 3). Damit werden letztlich die Verhandlungen der konkreten Verträge zwischen Trägern der Eingliederungshilfe und Leistungserbringern erleichtert.
Landesrahmenverträge dienen auch dazu, programmatische Vorgaben umzusetzen. Ein Beispiel ist die massive "Ambulantisierungspolitik" durch den Landesrahmenvertrag Hamburg, in dem Rahmenbedingungen zur entsprechenden Ausrichtung der Vereinbarungen nach § 125 vorgegeben werden (z. B. besondere Vergütungszuschläge bei Teilnahme an sozialräumlichen Weiterentwicklungskonzepten), vgl. Bericht von Gitschmann, NDV 2011 S. 294, 298 ff.
2.1.2 Vertragsparteien
Rz. 7
Vertragsparteien sind alle in dem jeweiligen Land beteiligten Träger der Eingliederungshilfe (örtliche und ggf. überörtliche Träger) sowie die Vereinigungen der Leistungserbringer. Zu den Vereinigungen der Leistungserbringer gehören nicht nur die in der Landesliga der Wohlfahrtspflege zusammengeschlossenen Verbände der freien Wohlfahrtspflege, sondern auch die auf Landesebene gebildeten Vereinigungen privatgewerblicher Leistungsanbieter (Münder, in: LPK-SGB XII, 9. Aufl. 2012, § 79 Rz. 4). Eine Unterscheidung zwischen Vereinigungen, die nur Leistungserbringer für stationäre (ab 1.1.2020 neue Wohnformen, vgl. § 125 SGB XII) oder ambulante Leistungen vertreten, ist grundsätzlich nicht möglich, kann jedoch je nach Regelungsgegenstand der Rahmenvereinbarungen relevant werden.
Die in Abs. 1 Satz 2 vorgesehene Ermächtigung zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen durch Kirchen oder Religionsgemeinschaften (fakultative Vertragspartner, vgl. Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 79 Rz. 25), denen der Leistungserbringer zuzuordnen ist, läuft faktisch leer, da jedenfalls für die evangelische und katholische Kirche aufgrund kirchengesetzlicher Regelung Leistungserbringer in deren Trägerschaft Mitglieder des Diakonischen Werkes oder des Caritasverbandes und damit eines Wohlfahrtsverbandes sind (vgl. Neumann, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 79 Rz. 8). Jedenfalls sollten die Träger der Eingliederungshilfe auch diese fakultativen Vertragspartner über Verhandlungen zu einem Landesrahmenvertrag informieren (weitergehend Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 80, Rz. 27 "Pflicht der Repräsentanten der Sozialhilfeträger zur Anfrage bei den fakultativen Vertragsparteien"). Im Übrigen soll mit dieser Regelung dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften bzw. einem vergleichbaren Selbstverständnis freigemeinnützig...