2.1 Überblick
Rz. 3
Die aufgrund § 7 Abs. 2 immer vorrangig zu beachtenden Zuständigkeitsregelungen der §§ 14 und 15 regeln nach Auffassung des Gesetzgebers umfassend die Zuständigkeiten der Rehabilitationsträger im Hinblick auf die zu bearbeitenden Anträge auf alle Teilhabeleistungen. Das schließt jedoch nicht aus, dass eilbedürftige Leistungen nicht rechtzeitig gewährt werden können, weil z. B.
- bei sehr eilbedürftigen Teilhabeleistungen trotz Klarheit über das Bestehen eines Leistungsanspruchs Gutachten oder ergänzende Berichte abgewartet werden müssen, die Aufschluss über die Zuständigkeit bzw. über das Vorliegen einer Teilhabeleistung geben,
- einer der beteiligten Rehabilitationsträger anzweifelt, dass es sich bei dem Leistungsantrag um einen Antrag auf Teilhabeleistungen handelt (z. B. bei einem an Diabetes erkrankten Kind, welches in der Schule für einen gewissen Zeitraum Häusliche Krankenpflege nach § 37 benötigt und in der übrigen Zeit Schulassistenz),
- sich die Rehabilitationsträger darüber streiten, ob der Antrag auf Teilhabeleistungen rechtzeitig i. S. d. § 14 weitergeleitet wurde und der vermeintlich zweitangegangene Rehabilitationsträger nicht leisten will,
- der zweitangegangene Rehabilitationsträger den weitergeleiteten Antrag angeblich nicht erhalten hat und zunächst nicht leistungsbereit ist.
Grundsätzlich hat der erstangegangene Rehabilitationsträger wegen § 16 Abs. 4 Satz 1 keine Möglichkeit, von sich aus die Leistung zu bewilligen und dann einen Erstattungsanspruch zu stellen. Um dem Leistungsberechtigten trotzdem schnell Gewissheit bezüglich seines Leistungsanspruchs zu geben, bietet sich
- die vorläufige Leistung nach anderen Vorschriften als nach § 43 SGB I (Rz. 4) oder
- eine Vereinbarung zwischen den sich "streitenden" Rehabilitationsträgern (Rz. 6)
an.
2.2 Möglichkeit vorläufiger Leistungen (Satz 1)
Rz. 4
Nach § 24 Satz 1 bleiben vorläufige Leistungen, die aufgrund von anderen Vorschriften als § 43 SGB I (vgl. Rz. 2) erbracht werden, möglich. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs., a. a. O.) zählen hierzu z. B.
- das Sofortangebot nach § 15a SGB II (nur anzuwenden vom 1.8.2006 bis 31.7.2016),
- die Vorleistungspflicht der Arbeitsförderung nach § 23 SGB III,
- die Vorleistung der Unfallversicherungsträger nach § 139 SGB VII oder
- die Verpflichtung der Jugendämter zum vorläufigen Tätigwerden nach § 86d SGB VIII.
Nach Auffassung des Autors ist die Möglichkeit zur schnellen Leistungserbringung
auch gegeben, wenn dadurch unter Umständen eine Teilhabeleistung i. S. d. § 5 "ersetzt" wird.
Aufgrund des § 24 Satz 2 ist bei Teilhabeleistungen eine vorläufige Leistung nach § 43 SGB I nicht möglich. Wie hier vom erstangegangenen Rehabilitationsträger als Ersatz für den nicht anwendungsfähigen § 43 SGB I trotzdem eine Teilhabeleistung vorläufig mit der Möglichkeit eines späteren Erstattungsanspruchs erbracht werden kann, erwähnt der Autor unter Rz. 6.
2.3 Rehabilitationsbedarf (Satz 2)
Rz. 5
Nach § 24 Satz 2 binden die in Rz. 4 aufgeführten vorläufig erbrachten Leistungen die Rehabilitationsträger nicht bei der Feststellung des Rehabilitationsbedarfs
- im Rahmen der Koordinierung der Leistungen und
- auch nicht bei der Durchführung des Teilhabeplanverfahrens.
Somit sollen die Rehabilitationsträger z. B. bei der Feststellung des Rehabilitations- und sonstigen Teilhabebedarfs prüfen, ob dieser durch die vorläufig erbrachte Leistung bereits vollständig gedeckt wird. Wenn dieses nicht der Fall ist, sind weitere Leistungen zu planen und zu koordinieren. Das gilt auch dann, wenn die vorläufige Leistung bezüglich ihres Umfangs und ihrer Höhe nur zum Teil bereitgestellt wird.
2.4 Keine Anwendung des § 43 SGB I (Satz 3)
Rz. 6
Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen und deren Umfang nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen (§ 43 Satz 1 SGB I). Der vorläufig leistende Rehabilitationsträger muss in diesen Fällen dem anderen Rehabilitationsträger lediglich anzeigen, dass er vorläufig Leistungen erbringen will. Stellt sich später die Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers heraus, kann der vorleistende Rehabilitationsträger gemäß § 102 SGB X einen Erstattungsanspruch in Höhe seiner vorläufig erbrachten Leistungen geltend machen. Diese Vorschrift war bis zum 31.12.2017 auf alle Sozialleistungen anwendbar – also auch auf Teilhabeleistungen. Für den Bereich der Teilhabeleistungen ist jedoch seit dem 1.1.2018 die Anwendbarkeit des § 43 SGB I wegen § 24 Satz 3 ausgeschlossen.
Nach Auffassung des Autors besteht in den strittigen Fällen für den erstangegangenen Rehabilitationsträger nur noch die Möglichkeit, mit dem "streitenden" Rehabilitationsträger eine Vereinbarung i. S. d. § 16 Abs. 4 Satz 1 letzter HS zu schließen, um dem Leistungsberechtigten eilbedürftige Teilhabeleistungen zukommen zu lassen. Diese Vereinbarung kommt als bindende Verabredung durch eine zw...