2.1 Schwerbehinderte Menschen
Rz. 3
Die Personengruppe schwerbehinderter Menschen ist im Teil 1 des SGB IX in § 2 Abs. 2 definiert, weil der zusätzliche Schwerbehindertenbegriff auf dem für das Neunte Buch insgesamt maßgebenden Behindertenbegriff aufbaut. Zusätzlich wird in § 2 Abs. 2 auf eine erhebliche — in Graden der Behinderung — bemessene Schwere der Behinderung abgestellt.
Rz. 4
Der Schwerbehindertenstatus gehört zum grundrechtlich geschützten Bereich der Persönlichkeitsrechte (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG). Über dieses Recht kann der schwerbehinderte Mensch nach seinem Belieben verfügen, ihm ist freigestellt, die Feststellung ebenso wie einen Ausweis darüber zu beantragen, von einer Feststellung und vom Ausweis Gebrauch zu machen und einzelne Behinderungen von der Feststellung auszunehmen (BSG, Urteil v. 22.10.1986, 9a RVs 3/84).
2.2 Gleichgestellte behinderte Menschen
2.2.1 Arbeitsplatz
Rz. 5
Um welche Personengruppe es bei schwerbehinderten Menschen gleichgestellten behinderten Menschen geht, ist ebenfalls in Teil 1 des SGB IX (§ 2 Abs. 3) geregelt. Danach sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des (§ 2) Abs. 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz i. S. des § 156 (= Stellen, auf denen Arbeiter, Angestellte, Beamte, Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Ausbildung Eingestellte beschäftigt sind) nicht erlangen oder nicht behalten können. Auch wenn in § 2 Abs. 3 lediglich von einem Arbeitsplatz "im Sinne des § 156" gesprochen wird, muss es sich um einen Arbeitsplatz i. S.d. § 156 Abs. 1 handeln. Eine Gleichstellung zum Zwecke der Erlangung oder Erhaltung einer Stelle, die nach § 156 Abs. 2 oder Abs. 3 nicht als Arbeitsplatz gilt (vgl. Kommentierung unter 3.2 zu § 156), ist nicht möglich.
Rz. 6
Die Erlangung einer Gleichstellung zum Zwecke der bevorzugten Zulassung für eine unabhängige Tätigkeit (§ 212) oder für Selbständige zum Zwecke der Gewährung begleitender Hilfen im Arbeitsleben (§ 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c) ist nicht möglich, da die Gleichstellung ausschließlich zur Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes i. S.d. § 156 zulässig ist.
2.2.2 Voraussetzung/Antragstellung
Rz. 7
Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen erfolgt aufgrund einer Feststellung nach § 152 auf Antrag des behinderten Menschen die Bundesagentur für Arbeit. Im Rahmen des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) ist in dem damaligen § 68 die Bezeichnung "Arbeitsamt" nicht durch das Wort "Agentur" ersetzt worden, sondern durch das Wort "Bundesagentur". Dieser Begriff steht aber für die Oberste Ebene (Zentrale) dieser Körperschaft. Es bleibt aber auch künftig dabei, dass Entscheidungen über Gleichstellungen mit schwerbehinderten Menschen auf der örtlichen Ebene, durch die örtlichen "Agenturen für Arbeit" erfolgen. So kann auch die Formulierung in § 90 Abs. 2 SGB III, wonach neben den schwerbehinderten Menschen auch die diesen "nach § 2 Abs. 3 des Neunten Buches von den Agenturen für Arbeit gleichgestellte behinderte Menschen" zu dem förderungsfähigen Personenkreis gehören, dafür sprechen, dass es sich bei der Formulierung zur Änderung der Bezeichnung in Abs. 2 um ein Versehen des Gesetzgebers handelt.
Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ist am 1.1.2005 in Kraft getreten. Das betrifft auch Art. 9 des Gesetzes, in dem im SGB IX die sprachliche Anpassung an die Umbenennung der Bundesanstalt für Arbeit vorgenommen wurde.
Voraussetzung für eine Gleichstellung ist also zunächst die Feststellung einer Behinderung mit einem Grad von wenigstens 30 durch die für eine solche Feststellung zuständige Behörde (§ 152 Abs. 1) oder durch einen Rentenbescheid, eine entsprechende Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder durch eine vorläufige Bescheinigung der für diese Entscheidungen zuständigen Dienststellen (§ 152 Abs. 2).
Rz. 8
Antragsberechtigt ist ausschließlich der behinderte Mensch, nicht dagegen der Arbeitgeber, auch wenn dieser zur Verbesserung oder Erfüllung der Beschäftigungspflichtquote und daraus folgender verminderter Zahlung von Ausgleichsabgabe ein eigenes Interesse an einer Gleichstellung des behinderten Menschen haben könnte. Der Arbeitgeber kann auch die Entscheidung, die seinen Arbeitnehmer schwerbehinderten Menschen nach § 2 gleichstellt, nicht anfechten (BSG, Urteil v. 19.12.2001, B 11 AL 57/01 R). Das BSG führt hierzu aus, für das Gleichstellungsverfahren, das ausschließlich der behinderte Mensch betreiben könne, gelte das Gleiche wie für das Feststellungsverfahren auf Anerkennung einer Schwerbehinderung. Der Arbeitgeber sei von einer Gleichstellung in seinen Individualinteressen allenfalls mittelbar betroffen, hierbei handele es sich um Reflexwirkungen, die nicht einer Anfechtung durch den Arbeitgeber unterliegen.
Rz. 9
Die Entscheidung über eine Gleichstellung ist ausdrücklich auch in § 187 Abs. 1 Nr. 5 geset...