Rz. 4

§ 3 verpflichtet die Rehabilitationsträger im Rahmen ihrer Aufgabenstellung darauf hinzuwirken, dass der Eintritt einer Behinderung einschließlich chronischer Krankheiten vermieden wird bzw. dass eine Verschlimmerung einer bereits bestehenden Behinderung verhindert wird (vgl. auch § 2 der "Gemeinsamen Empfehlung Prävention nach § 3 SGB IX", Fundstelle: Rz. 26).

§ 3 befasst sich im Gegensatz zu anderen Vorschriften des SGB (vgl. §§ 20 ff. SGB V, §§ 14 ff. SGB VII) nicht mit der Prävention in Bezug auf eine Krankheit, sondern in Bezug auf eine Behinderung (§ 2, Definition hierzu vgl. Rz. 2). Allein durch die bei § 3 gewählte Überschrift "Vorrang von Prävention" signalisiert der Gesetzgeber, dass die Vermeidung des Eintritts der Behinderung bzw. von Teilhabeeinbußen zu einem wichtigen Aufgabenbereich der Rehabilitationsträger zählt. Gemäß dem Grundsatz "Vorbeugen ist besser als heilen" verpflichtet der Gesetzgeber die Rehabilitationsträger, so früh wie möglich mit Maßnahmen einzusetzen, um einer drohenden Behinderung (vgl. § 2) vorzubeugen.

Die Prävention soll dazu beitragen, bereits im Frühstadium sich abzeichnende Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe zu erkennen. Sie hat zum Ziel, das Fortschreiten gesundheitsbeeinträchtigender Prozesse, die zu Chronifizierung und Behinderung führen können, zu verringern, aufzuhalten bzw. zu verhindern sowie gesundheitsgefährdende Belastungen abzubauen und Ressourcen zu stärken.

Wichtig ist, dass die Anzeichen für den Eintritt oder die Verschlimmerung einer Behinderung frühzeitig erkannt werden. Das Erkennen solcher Anzeichen ist Aufgabe aller Rehabilitationsträger (vgl. auch Rz. 17).

Dieser Aufgabe können die Rehabilitationsträger nur nachkommen, indem sie ein funktionierendes Netzwerk schaffen, an dem Hausärzte, Werks- oder Betriebsärzte, Beratungsdienste, Psychologen und sonstige Gesundheitsdienstleister teilnehmen; durch den unmittelbaren Kontakt mit dem von Behinderung unmittelbar bedrohten Menschen sind diese "Heilberufe" am besten in der Lage, die gesundheitliche Entwicklung des Betroffenen abzuschätzen und Gegenmaßnahmen einzuleiten.

 

Rz. 5

Stellt ein Rehabilitationsträger Anhaltspunkte für einen möglichen Teilhabebedarf eines Menschen fest (z. B. aufgrund eines Sozialberichts, eines Krankenhausentlassungsberichtes oder eines Screenings), hat er im konkreten Fall von Amts wegen umgehend eine entsprechende Prüfung durchzuführen (vgl. § 3 i. V. m. §§ 10, 12 und 13). Bestätigt sich der Verdacht, erfolgt in Abstimmung mit dem betroffenen Menschen und unter Beteiligung des behandelnden/verordnenden Arztes, Betriebs-/Werksarztes usw. die Einleitung entsprechender präventiver Maßnahmen.

 

Rz. 6

Je nach Schwere einer drohenden Behinderung besteht ein rehabilitationsträgerübergreifender Teilhabebedarf. In diesen Fällen bedarf es unter Berücksichtigung des Leistungsspektrums eines jeden Rehabilitationsträgers auch eines trägerübergreifenden Leistungsmanagements (Näheres hierzu vgl. § 19 – Teilhabeplan und § 20 – Teilhabeplankonferenz).

 

Rz. 7

(unbesetzt)

2.1 Grundbegriffe der Prävention

 

Rz. 8

§ 3 trägt die Überschrift "Vorrang von Prävention". Unter Prävention versteht man alle medizinischen und sozialen Anstrengungen, die Gesundheit zu fördern (health promotion) und Krankheit und Unfälle sowie deren Folgen- hierzu zählen auch Behinderungen – zu vermeiden oder zumindest hinauszuzögern.

Die Prävention i. S. d. § 3 soll dazu beitragen, bereits im Frühstadium sich abzeichnende Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe zu erkennen. Sie hat zum Ziel, das Fortschreiten gesundheitsbeeinträchtigender Prozesse, die zu Chronifizierung und Behinderung führen können, zu verringern, aufzuhalten bzw. zu verhindern sowie gesundheitsgefährdende Belastungen abzubauen und Ressourcen zu stärken. Die Vorschrift enthält keinen gesetzlichen Auftrag über konkrete Maßnahmen, sondern überlässt den Rehabilitationsträgern ausreichend Raum zu Umfang und Ausgestaltung.

Der Prävention i. S. d. SGB IX liegt das Denkmodell der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit; vgl. hierzu auch die Komm. zu § 2) zugrunde. Im Sinne der ICF ist Behinderung vor allem eine Beeinträchtigung der Teilhabe und entsteht aus dem ungünstigen Zusammenwirken von gesundheitlichen Problemen einer Person und ihrem Lebensumfeld.

Bei der Prävention i. S. d. § 3 erlangen auch die Kontextfaktoren (= gesamter Lebenshintergrund eines Menschen) eine besondere Bedeutung. Die Kontextfaktoren erfassen alle gesundheitsfördernden und -hemmenden Lebensumfeldfaktoren des Einzelnen (Arbeitsplatz, Bezugspersonen, Wohnverhältnisse und Lebensweise). Durch die Prävention sollen diese so gestaltet oder das Verhalten des Einzelnen so positiv beeinflusst werden, dass dem behinderten bzw. dem von Behinderung bedrohten Menschen (auch dem chronisch kranken Menschen) möglichst lange eine hohe Lebensqualität und eine hohe Aktivität bei den Verrichtungen des individuellen Alltags verbleiben. Außerdem soll durch die Prävention so lange wie mögl...

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