0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) am 1.1.2018 in Kraft. Gegenüber der bis 31.12.2017 geltenden Vorgängervorschrift des § 27 ergaben sich redaktionelle Folgeänderungen in Bezug zur Einführung des Teilhabeplanverfahrens.
Der Verweis auf § 12 Abs. 1 und 3 sowie § 19 sichert einen reibungslosen Übergang von der aktutmedizinischen Krankenbehandlung in die Rehabilitation.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Krankenbehandlung (§§ 27 bis 43c SGB V) umfasst Leistungen, die von den Krankenkassen bei einer Krankheit erbracht werden. Mit der Krankenbehandlung wird das Ziel verfolgt, eine Krankheit (Definition: BSG, Urteil v. 11.9.2012, B 1 KR 11/12 R) zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungen des SGB IX setzen dagegen nicht bei der Krankheit, sondern bei den Folgewirkungen einer Krankheit – nämlich der Behinderung – an. Nach der Vorschrift soll den Teilhabestörungen nicht erst zum Zeitpunkt der einsetzenden Rehabilitationsleistungen, sondern bereits während der akuten (ambulanten oder stationären) Krankenbehandlung möglichst frühzeitig und umfassend entgegengewirkt werden.
§ 43verpflichtet die Rehabilitationsträger, durch gezielte Rehabilitationsleistungen so früh wie möglich – also schon beim Erkennen einer Krankheit – und so umfassend wie möglich einer eingetretenen oder noch drohenden
entgegenzuwirken.
Die Vorschrift dient der Behebung von Schnittstellen zwischen Akut-/Krankenhausbehandlung und Rehabilitation. Im Zusammenhang mit § 8 verpflichtet sie die Rehabilitationsträger,
- den Teilhabebedarf (§ 4) schon während der Akutbehandlung (z. B. Krankenhausbehandlung oder ambulante Krankenbehandlung nach einer OP) so früh wie möglich zu prüfen,
- den Patienten bis zur Aufnahme in einer Rehabilitationseinrichtung optimal auf den anstehenden Rehabilitationsprozess vorzubereiten (das beinhaltet zugleich, den Patienten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln rehabilitationsfähig zu machen bzw. das vorhandene Rehabilitationspotenzial des Versicherten weiter auszubauen) und
- den Rehabilitations-/Teilhabeprozess während der Akutphase zügig vorzubereiten bzw. einzuleiten, damit ein sinnvoller, reibungsloser Übergang gewährleistet werden kann.
2 Rechtspraxis
2.1 Zielsetzung
Rz. 3
Die medizinische Rehabilitation (§ 42) hat – anders als z. B. die kurative Behandlung – nicht die Heilung einer Erkrankung, sondern die Beseitigung bzw. Minderung einer Behinderung, der Pflegebedürftigkeit oder der Störung im Erwerbsleben zum Ziel (vgl. § 42 Abs. 1). Während die Krankenbehandlung (z. B. §§ 27 bis 39 SGB V) nach der Definition der WHO die bestmögliche Gesundheit herstellen soll, strebt die medizinische Rehabilitation entsprechend der von der WHO entwickelten "Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit" (ICF) eine barrierefreie Teilhabe des betroffenen Menschen am Leben in der Gesellschaft an (vgl. § 4). Näheres zum Begriff der Behinderung: vgl. Komm. zu § 2.
Rz. 4
Insbesondere vor Inkrafttreten des SGB IX wurde der Kranke/Behinderte während der stationären Behandlung im Krankenhaus zwar optimal ärztlich behandelt, rehabilitative Ansätze kamen jedoch zu kurz. Wenn, dann wurde oft nur eine Frühmobilisation durchgeführt; Maßnahmen, die ein weiteres Abgleiten der Alltagsfähigkeiten während der stationären Krankenhausbehandlung verhinderten oder die verbliebenen Funktionen/Fähigkeiten förderten, kamen nur bedingt zum Einsatz. Der Beginn des eigentlichen Rehabilitationsprozesses verschob sich, weil das Personal der Rehabilitationsklinik zunächst an den während der Krankenhausbehandlung verlernten Grundfertigkeiten (wegen Kontrakturen usw.) oder an der noch nicht erlangten Rehabilitationsfähigkeit des Patienten arbeiten musste.
Rz. 5
Durch § 43 wird deutlich, dass das gesamte Rehabilitationsgeschehen als ein Prozess zu verstehen ist, der dem Case- oder Fallmanagement zugeordnet werden kann: § 43 steht im inneren Zusammenhang mit § 9, der jeden Rehabilitationsträger verpflichtet, vor der Bewilligung und während und nach Abschluss einer Sozialleistung (§ 11 SGB I) den Teilhabebedarf zu prüfen. So hat z. B. die Krankenkasse bereits bei der Aufnahme zur stationären Behandlung in einem Akutkrankenhaus und dann immer wieder in kurzen zeitlichen Abständen den physischen und psychischen Status des Patienten sowie dessen Rehabilitationspotential und -bedarf festzustellen. Bei Rückfragen hat der Arzt bzw. ein Angehöriger eines sonstigen Heilberufs dem Rehabilitationsträger entsprechend Auskunft zu erteilen (vgl. § 100 SGB X). Bei stationärer Krankenhausbehandlung ist vom Krankenhaus sogar ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die weitere Versorgung sicher zu stellen (§ 39 Abs. 1a SGB V). Das bed...