Rz. 44
Grundlage für die Versorgung mit Hilfsmitteln i. S. d. § 47 ist eine ärztliche Verordnung. Die Verordnung kann nur erfolgen, wenn sich der behandelnde Arzt von dem Zustand des Betroffenen überzeugt und sich erforderlichenfalls über die persönlichen Lebensumstände informiert hat oder wenn ihm diese aus der laufenden Behandlung bekannt sind (in Anlehnung an § 6 Abs. 3 der Hilfsmittel-Richtlinien).
Die Verordnung als solche stellt sich im Ergebnis rechtlich lediglich als ärztliche Empfehlung dar; sie bindet den Rehabilitationsträger im Verhältnis zum Antragsteller nicht (vgl. BSG, Urteil v. 17.1.1996, 3 RK 39/94) und begründet auch keinen automatischen Anspruch auf die Versorgung mit dem "verordneten" Hilfsmittel. Vielmehr hat der Rehabilitationsträger die Möglichkeit, den Teilhabebedarf genauer zu prüfen und ggf. Alternativmöglichkeiten anzubieten. Der Mensch mit Behinderungen wird im Rahmen des § 47 den Erfordernissen der Umwelt angepasst. Er kann aber in Bezug zu den Hilfsmitteln nicht verlangen, dass das Umfeld an seine Bedürfnisse angeglichen wird (vgl. BSG, Urteil v. 18.6.2014, B 3 KR 8/13 R).
Die Rehabilitationsträger haben sicherzustellen, dass die erforderlichen Hilfsmittel zur Teilhabe auf die individuelle Lebenssituation des Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sind und in der gebotenen medizinischen Qualität und Quantität auch erbracht werden. Die Auswahl der Hilfsmittel erfolgt unter Berücksichtigung der berechtigten Wünsche des Anspruchsberechtigten (insbesondere § 8).
Das Wirtschaftlichkeitsgebot (z. B. § 12 SGB V, § 28 Abs. 1 Satz 3 sowie § 123 Abs. 2) wirkt erst, wenn mit mehreren unterschiedlichen Hilfsmitteln das gleiche Ziel erreicht werden kann. Sind unter medizinischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mehrere Hilfsmittel gleichermaßen geeignet, den behinderungsbedingten Funktionsausgleich zu gewährleisten, so steht dem Menschen mit Behinderungen ein Wahlrecht bei der Auswahl des zu finanzierenden Hilfsmittels zu (BSG, Urteil v. 3.11.1999, B 3 KR 16/99). Wählt der Leistungsberechtigte ein geeignetes Hilfsmittel in einer aufwendigeren Ausführung als notwendig, hat er die Mehrkosten selbst zu tragen (§ 47 Abs. 3). Die Verordnung von Maßanfertigungen ist nicht zulässig, wenn die Versorgung mit Fertigartikeln (Konfektion oder Maßkonfektion) denselben Zweck erfüllt (vgl. § 6 Abs. 9 der Hilfsmittel-Richtlinie).
Die Rehabilitationsträger müssen das geeignete Hilfsmittel in einem für den Menschen mit Behinderungen bzw. von Behinderung bedrohten Menschen gebrauchsfertigen Zustand zur Verfügung stellen (z. B. Ausstattung mit einer Batterie, falls diese für die Verwendung des Hilfsmittels benötigt wird) und ggf. die Anlieferungs- und Montagekosten sowie die Kosten der Einführung in den Gebrauch des Hilfsmittels übernehmen (BSG, Urteil v. 25.2.1981, 5a/5 RKn 35/78; Rz. 47 ff., 52).
Rz. 44a
Gleiches gilt für das notwendige Zubehör (z. B. Wärmesack für Rollstuhlfahrer, Batterieladegerät, Personenrückhaltesystem für Rollstuhlfahrer) und die für das Hilfsmittel ggf. anfallenden Betriebskosten (z. B. Stromkosten für den elektrisch betriebenen Rollstuhl, LSG München, Urteil v. 26.2.2021, L 4 KR 547/20). Als Zubehör gilt gemäß Kapitel 2, Art. 2 der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte jeder Gegenstand,
- der zwar an sich kein Medizinprodukt ist, aber vom Hersteller dazu bestimmt ist, zusammen mit einem oder mehreren bestimmten Medizinprodukten verwendet zu werden, und
- der speziell dessen Verwendung gemäß seiner Zweckbestimmung(en) ermöglicht oder
- mit dem die medizinische Funktion des Medizinprodukts bzw. der Medizinprodukte im Hinblick auf dessen/deren Zweckbestimmung(en) gezielt und unmittelbar unterstützt werden soll.
Rz. 45
Die Hilfsmittel nach § 47 sind grundsätzlich ohne Zuzahlung zur Verfügung zu stellen, sofern nicht trägerspezifisches Recht (z. B. § 33 Abs. 8 SGB V) anzuwenden ist.
Neben der Zuzahlung können Eigenanteile dann anfallen, wenn gesunde Menschen im alltäglichen Leben für die Anschaffung eines vergleichbaren Gegenstandes Geld aufbringen müssten (vgl. hierzu Rz. 58).