Rz. 3
Das SGB IX stellt für Menschen mit Behinderung oder drohender Behinderung eine Reihe von Leistungen zur Verfügung, die diese zur Verbesserung der Teilhabe im Bedarfsfall erhalten können. § 5 unterteilt die Teilhabeleistungen des 1. und 2. Kapitels des SGB IX in 5 Leistungsgruppen. Davon sind 4 Hauptleistungsgruppen, die i. V. m. § 6 auch die grundsätzlichen Zuständigkeiten zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern regeln:
Leistungsgruppen und Zuständigkeiten
Die Leistungsgruppe "unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen" stellt eine Besonderheit dar. Sie weist im Wesentlichen darauf hin, dass der Rehabilitand im Zusammenhang mit medizinischen Rehabilitationsleistungen oder mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unterhaltssichernde Leistungen (Krankengeld, Übergangsgeld etc.) und ergänzende Leistungen (Reisekosten, Haushaltshilfe, Rehabilitationssport, Funktionstraining etc.) beanspruchen kann.
Rz. 4
Jede Leistung, die im Bedarfsfall benötigt wird, kann einer Leistungsgruppe zugeordnet werden. Die Zuordnung einer Leistung erfolgt in hintereinander folgenden Schritten:
Geht bei einem Rehabilitationsträger oder einem sonstigen Sozialleistungsträger (§ 12 SGB I) ein Antrag auf Leistungen ein, ist – losgelöst von den §§ 14, 15 – zunächst zu prüfen, ob die beantragte Leistung den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1) zugeordnet werden kann. Ist dies nicht der Fall, ist zu erkunden, ob die beantragte Leistung den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2) zuzuschreiben ist. Ist auch dies nicht möglich, hat der Träger eine Zuordnung zu den Leistungen zur Teilhabe an Bildung (§ 5 Nr. 4) zu prüfen. Bei fehlender Zuordnung ist anschließend zu prüfen, ob die benötigte Leistung den Leistungen zur sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5) zugeschrieben werden kann.
Ist eine Leistung keiner der 4 Leistungsgruppen zuzuordnen und handelt es sich auch nicht um unterhaltssichernde oder sonstige ergänzende Leistungen (§ 5 Nr. 3), besteht im Rahmen der beiden Teile 1 und 2 des SGB IX (§§ 1 bis 150a) regelmäßig keine Leistungsverpflichtung eines Rehabilitationsträgers. Ggf. ist dann aber noch zu prüfen, ob gegen einen Sozialleistungsträger (§ 12 SGB I) außerhalb des Rehabilitations- und Teilhaberechts ein Anspruch auf Leistungen besteht (z. B. Anspruch auf ärztliche Behandlung oder Krankenhausbehandlung gegen die Krankenkasse, Anspruch auf Rente gegenüber dem Rentenversicherungsträger).
Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind somit grundsätzlich vorrangig vor den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Soweit der Teilhabebedarf allein im Rahmen der medizinischen Rehabilitation befriedigt werden kann, besteht kein Leistungsanspruch gegenüber den Rehabilitationsträgern, die für die anderen Leistungsgruppen zuständig sind (vgl. Rechtsprechung zu digitalen Hörgeräten: BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 5/07 R; ferner: Rechtsprechung zu Hörgerätebatterien: BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R). Ein Anspruch auf Leistungen zur sozialen Teilhabe oder auf Leistungen zur Teilhabe an Bildung besteht deshalb nur dann, wenn der Teilhabebedarf nicht aufgrund der beiden anderen Leistungsgruppen befriedigt werden kann. Leistungen zur Teilhabe an Bildung sind letztendlich vorrangig vor den Leistungen zur sozialen Teilhabe.
Rz. 5
Allerdings gibt es auch Fallgestaltungen, in denen z. B. nur Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nicht ausreichen, um den gesamten Rehabilitationsbedarf zu decken. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das benötigte Hilfsmittel zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zählt, der Mehrbedarf aber durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abzudecken ist (z. B. BSG, Urteil v. 20.10.2009, B 5 R 5/07 R). Der Mehrbedarf kann sich z. B.
- bei einem berufsbedingt höherwertigen digitalen Hörgerät (Krankenkasse leistet nur in Höhe des Festbetrages, aber wegen der beruflichen Tätigkeit als Musiker ist ein hochwertiges Klangbild und damit ein wesentlich teureres Hörgerät notwendig),
- bei einer berufsbedingt höherwertigen Bein-, Arm- oder sonstigen Prothese (z. B. Sonderausstattung wegen öligem Untergrund am Arbeitsplatz) oder
- bei einem berufsbedingt höherwertigen (z. B. höhenverstellbaren) Rollstuhl
ergeben. In diesen Fällen ist die Krankenkasse regelmäßig für die Leistungen im Rahmen ihres Leistungsspektrums zuständig; der für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständige Rehabilitationsträger hat dann im Rahmen seines Leistungsspektrums die Kosten für den durch die Krankenkasse nicht gedeckten Teil zu übernehmen. Das verwaltungsmäßige Verfahren für diese Fälle ist in § 15 geregelt (vgl. Komm. zu § 15).