0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 73 trat aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) am 1.1.2018 in Kraft und ist seitdem textlich unverändert.
Die Vorschrift entspricht dem bis 31.12.2017 geltenden § 53. Mit der Neugliederung von Abs. 1 Nr. 1 bis 4 wurden jedoch Änderungen vorgenommen, die aus redaktionellen und systematischen Gründen erforderlich waren, jedoch zu keinen materiellen Folgewirkungen führten (vgl. BT-Drs. 18/9522 S. 259).
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 73 dient der Harmonisierung der von den Rehabilitationsträgern zu erbringenden Fahr- und Reisekosten. Die Vorschrift regelt für alle Rehabilitationsträger die Übernahme der Beförderungskosten, die im Zusammenhang mit
- einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder
- einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA)
entstehen. Aus diesem Grund verweisen die Fahr-/Reisekostenvorschriften der einzelnen Rehabilitationsträger auf § 73 SGB IX, z. B.
Rz. 3
Bei Leistungen der Eingliederungshilfe in Bezug auf
- Leistungen zur Beschäftigung i. S. d. § 111 SGB IX,
- Leistungen zur Teilhabe an Bildung,
- Leistungen zur Sozialen Teilhabe
ist § 73 nicht anwendbar.
Als Grundsatz lässt sich aber festhalten, dass Fahrkosten als Bestandteil einer Eingliederungsmaßnahme vom Träger der Eingliederungshilfe zu übernehmen sind, wenn der Betroffene die fragliche Wegstrecke nicht zu Fuß zurücklegen kann. Die Übernahme der Fahrkosten zur Ermöglichung der spezifischen Maßnahme ist dann unerlässlich (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 27.2.2020, B 8 SO 18/18 R). Zu nennen sind hier z. B. im Rahmen der sozialen Teilhabe die Fahrten eines in der Mobilität eingeschränkten Rollstuhlfahrers zu einer kulturellen Veranstaltung oder zu einem Treffen mit Freunden mit einem für den Rollstuhltransport geeigneten Transportdienst.
Ob eine Eingliederungshilfemaßnahme vorliegt, richtet sich nach dem individuellen Förderverständnis nicht nach der Einrichtung, sondern nach der im Einzelfall erforderlichen, personenbezogenen Maßnahme. Notwendige Fahrkosten mit einem Fahrdienst zu einer die Eingliederungshilfemaßnahme durchführenden Einrichtung (hier: Fahrdienst zum Besuch des Integrativen Kindergartens) sind sog. Annexkosten zur Eingliederungshilfemaßnahme (u. a. SG Nürnberg, Urteil v. 13.12.2017, S 20 SO 80/14).
Gleiches gilt für Leistungsempfänger, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten. Kann ein regelmäßig verkehrendes öffentliches Verkehrsmittel wegen Art und Schwere der Behinderung nicht benutzt werden, werden die Kosten vom Träger der Eingliederungshilfe für die Benutzung eines anderen, angemesseneren Beförderungsmittels anerkannt (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 16.8.2018, L 23 SO 358/15).
Zusätzlich gibt es im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe auch darüber hinausgehende Leistungen zur Mobilität, z. B. die Kfz-Hilfe (vgl. § 83 und § 114 SGB IX i. V. m. § 8 der Kraftfahrzeughilfeverordnung) oder Besuchsbeihilfen (§ 115).
Rz. 4
Ggf. fallen Fahr-/Reisekosten vor der Teilhabeleistung zur Antragstellung und zur Abklärung von Teilhabefragen beim Rehabilitationsträger, zu medizinischen Untersuchungen und zu Eignungstests etc. an. Die dem Verwaltungsverfahren zuzurechnenden Kosten werden nicht im Rahmen des § 73 SGB IX, sondern nach § 65a SGB I übernommen (Näheres vgl. Rz. 67 f.).
2 Rechtspraxis
2.1 Einführung
Rz. 5
Reisekosten werden von den Rehabilitationsträgern nach dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 nur dann übernommen, wenn sie im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung
- zur medizinischen Rehabilitation (§§ 42 ff.) oder
- zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 49 ff.)
erforderlich werden.
In diesem Zusammenhang entstehen Reisekosten in der Praxis insbesondere in folgenden Fällen: