Rz. 38
Eine Mitnahme eines oder mehrerer Kinder an den Ort der Rehabilitations-/Teilhabeleistung kommt nach § 74 Abs. 2 auf Antrag des Rehabilitanden in Betracht, wenn
- eine Mitnahme des Kindes bzw. der Kinder in die Rehabilitationseinrichtung möglich ist,
- medizinische oder sonstige Gründe dem nicht entgegenstehen und
- ansonsten die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Haushaltshilfe i. S. d. § 74 Abs. 1 vorliegen.
Die Kinder werden durch die Mitaufnahme versorgt und betreut; sie erhalten die Mahlzeiten und werden, sofern der Rehabilitand die Kinder wegen der Rehabilitations-/Therapiezeiten nicht beaufsichtigen kann, betreut. Eine medizinische Therapie des Kindes findet grundsätzlich nicht statt, weil die "Betreuungskinder" gesund sind. Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII besteht nicht, da die mit aufgenommenen Kinder keine Rehabilitanden sind.
Mit Urteil v. 28.5.2019 (B 1 KR 4/18 R) hat das BSG entschieden, dass die Krankenkasse die Kosten der Begleitkinder im Zusammenhang mit einer Mutter-Kind-Maßnahme für die gesetzlich krankenversicherte Mutter auch dann tragen muss, wenn die Begleitkinder nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Es wird also nicht gefordert, dass für das Kind eine Familienversicherung oder eine eigene Mitgliedschaft besteht.
Rz. 39
Sind die Voraussetzungen nach § 74 Abs. 1 erfüllt, hat der Rehabilitationsträger gemäß § 74 Abs. 2 höchstens die Kosten zu übernehmen, die er sonst für die Haushaltshilfe aufzubringen gehabt hätte. Als Vergleichskosten gelten die Aufwendungen, die bei der Inanspruchnahme einer Naturalleistung (z. B. Vertragspartner) entstanden wären. Es ist nicht rechtens, den Rehabilitanden hinsichtlich der Vergleichskosten auf den Betrag zu begrenzen, den der Rehabilitationsträger bei der Kostenerstattung für die Weiterführung des Haushalts durch eine nicht verwandte/verschwägerte Ersatzkraft in Form einer Privatperson (Rz. 29 ff.) gezahlt hätte.
In der Praxis belaufen sich die Kosten für die Mitaufnahme eines Kindes (meist Kleinkinder, Säuglinge) je nach Rehabilitationseinrichtung zwischen 45,00 und 85,00 EUR je Tag. Die Vergleichskosten werden i. d. R. nicht erreicht, wenn der Rehabilitand 1 oder 2 Kinder mit in die Reha-Einrichtung aufnehmen lässt.
Rz. 40
Bei der Vergleichsberechnung stellt sich die Frage, ob für arbeitsfreie Tage des Ehegatten (z. B. Samstag, Sonntag, Feiertage) – also Tage, für die kein Anspruch auf Haushaltshilfe besteht, weil der Ehegatte den Haushalt führen kann – auch Haushaltshilfekosten anzusetzen sind; schließlich ist es in der Praxis unmöglich, das mit aufgenommene Kind für die arbeitsfreien Tage des Ehegatten nach Hause zu schicken. Überwiegend geht man aus Vereinfachungsgründen davon aus, dass die Haushaltshilfekosten bei der Vergleichsberechnung auch für die arbeitsfreien Tage durchzurechnen sind.
Bei der Auswahl der Rehabilitationseinrichtung hat der Rehabilitationsträger die Bedürfnisse und Wünsche des Rehabilitanden zu beachten (vgl. auch § 8). Allerdings ist zu beachten, dass das Wahlrecht nur für die indikationsspezifischen Einrichtungen besteht, in der Kinder mit aufgenommen werden können.
Rz. 41
Die Formulierung "anstelle der Haushaltshilfe" weist darauf hin, dass für ein Kind nicht gleichzeitig Leistungen nach § 74 Abs. 1 und Abs. 2 erbracht werden können. Mit dem Tag, an dem die Mitaufnahme erfolgt, können deshalb für das mit aufgenommene Kind keine Leistungen nach § 74 Abs. 1 erbracht werden. Leben aber mehrere Kinder unter 12 Jahren im Haushalt und wird nur z. B. ein Kind (Säugling) mit aufgenommen, hat der Rehabilitationsträger die Weiterführung des Haushaltes für die anderen Kinder sicherzustellen. Für die anderen Kinder gelten dann die Regelungen des § 74 Abs. 1 (Rz. 10 ff.).