Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Rechtswidrigkeit der Beschränkung der podologischen Leistungen in den Heilmittelrichtlinien auf an Diabetes mellitus Erkrankte
Leitsatz (amtlich)
Nach der im einstweiligen Rechtsschutz grundsätzlich gebotenen summarischen Prüfung erscheint die Beschränkung der podologischen Leistungen in den Heilmittelrichtlinien (juris: HeilMRL) auf an Diabetes mellitus Erkrankte rechtswidrig.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 27. November 2014 geändert.
Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, dem Antragsteller dreimal podologische Fußpflege im vierwöchigen Abstand als Sachleistung zu gewähren.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller seine außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung podologischer Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der 1956 geborene und bei der Antragsgegnerin krankenversicherte Antragsteller leidet unter einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit Stadium IV mit Fersennekrose rechts, die 1993 operativ versorgt wurde. Unter Vorlage eines Arztberichtes der Klinik für allgemeine Chirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) vom 8. August 2014, in dem eine regelmäßige Fußpflege empfohlen wurde, beantragte der Antragsteller am 1. September 2014 bei der Antragsgegnerin die Genehmigung zur medizinischen Fußpflege (“etwa alle sechs Wochen„). Zur Begründung wies er auf das vorgelegte Attest hin, in dem eine Fußpflege dringlich empfohlen werde. Es bestehe eine unmittelbare konkrete Gefahr, dass ohne eine solche Fußpflege Folgeschäden aufträten. Mit Bescheid vom 9. September 2014 lehnte die Antragsgegnerin solche Leistungen ab, da Kosten für die medizinische Fußpflege nur übernommen würden, wenn sie aufgrund krankhafter Veränderungen am Fuß infolge eines Diabetes mellitus erforderlich seien. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch unter Hinweis auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach er einen umfassenden Behandlungsanspruch habe. Die Bewilligung von Leistungen der podologischen Fußpflege nur bei diabetischer Erkrankung sei rechtswidrig. Die Antragsgegnerin legte den Fall dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Begutachtung vor.
Am 13./15. September 2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Lübeck die Gewährung der Kostenübernahme für die medizinische Fußpflege im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt. Zur Begründung hat er ergänzend ausgeführt, soweit seinem Anspruch entgegengehalten werde, dass es an einer ärztlichen Verordnung fehle, weise er auf die Mail von Dr. M… hin, in der diese ihm mitgeteilt habe, dass sie Rezepte nur bei diabetischem Fußsyndrom ausstellen dürfe. Er selbst könne die Kosten nicht übernehmen, da er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Jobcenter Ostholstein nach dem SGB II erhalte. Dazu legt er einen Bewilligungsbescheid des Jobcenters Ostholstein vom 3. April 2014 vor. Der Antragsteller hat zudem auf einen weiteren Bericht des UKSH vom 19. September 2014 (Dr. D…) über eine Vorstellung dort am selben Tag in der Spezialsprechstunde für Wundbehandlung sowie den von der Antragsgegnerin eingeholten Bericht des UKSH vom 23. September 2014 verwiesen.
Die Antragsgegnerin hat ein Gutachten des MDK vom 20. November 2014 vorgelegt und ihren Ablehnungsbescheid ergänzend damit begründet, dass es an einer vertragsärztlichen Verordnung fehle. Die Formulierung in dem Bericht des UKSH reiche nicht aus. An einer Verordnung fehle es, wenn ein Arzt eine Behandlung lediglich befürworte, empfehle oder anrege. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leide. Die vom Bundesausschuss auf der Rechtsgrundlage des § 92 SGB V erlassenen Richtlinien seien für die Versicherten und Leistungserbringer verbindlich. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben. Ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens sei dem Antragsteller zuzumuten. Schwere, nicht zu behebende Gesundheitsschäden drohten nicht. Zudem stehe der Antragsteller unter regelmäßiger medizinischer Kontrolle.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27. November 2014 den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass eine Versorgung mit der podologischen Therapie nur möglich sei, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlägen. Das sei beim Antragsteller nicht der Fall. Zudem fehle es an der notwendigen ärztlichen Verordnung, da das Schreiben des UKSH lediglich eine Empfehlung enthalte.
Gegen den ihm am 4. Dezember 2014 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingegangen beim Sozialgericht Lübeck am 5. Januar 2015 (Montag), mit der er weiterhin die Genehmigung zur Kostenübernahme der medizinischen Fußpflege durch einen Podologen entsprechend den vertragsärztlichen Erfordernissen im Wege des einstweiligen Rechtss...