Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rückausnahme vom Leistungsausschluss für Auszubildende. kein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 2 Abs 1a S 1 Nr 1 BAföG. Unterkunft außerhalb der elterlichen Wohnung. Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort
Leitsatz (amtlich)
Die Rückausnahme nach § 7 Abs 6 Nr 1 SGB 2 setzt nicht voraus, dass der Leistungsberechtigte im Haushalt der Eltern lebt, sondern findet in jedem Fall des Leistungsausschlusses nach § 2 Abs 1a BAföG Anwendung.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 5-6; BAföG § 2 Abs. 1a; SGB I § 43; SGG § 86b
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 10. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers auch für das Beschwerdeverfahren.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht (SG) den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 2. Oktober bis 31. Dezember 2013 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Vorschriften des § 7 Abs. 5 und 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in Verbindung mit § 2 Abs. 1a Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zutreffend angewandt und seine Entscheidung ausführlich begründet. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Gründe, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Auch das Vorbringen des Antragsgegners zur Begründung seiner Beschwerde führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung.
Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2009 geklärt, dass ein Auszubildender, der nicht bei seinen Eltern wohnt, nicht aus diesem Grunde von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 61/08 R, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Es ist zwar zutreffend, dass der Personenkreis, dem der Antragstellers angehört, nach der gesetzgeberischen Wertung im BAföG von Leistungen zur Ausbildungsförderung ausgeschlossen werden soll, wenn er nicht bei seinen Eltern wohnt, obwohl er von der Wohnung seiner Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte erreichen könnte. Dies führt jedoch - zumal entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - nicht zu einem vergleichbaren Leistungsausschluss im Grundsicherungsrecht, zumal im SGB II jedenfalls seit dem 1. April 2006 auch spezifische Regelungen geschaffen worden sind, die denkbare finanzielle Anreize für junge Hilfebedürftige, während eines Schulbesuchs aus dem Haushalt der Eltern auszuziehen, beseitigt haben. Dazu gehören die Leistungsabsenkungen sowohl bei den Regelbedarfen als auch bei den Kosten der Unterkunft. Im vorliegenden Verfahren bestehen allerdings keine Anhaltspunkte für eine solche Leistungskürzung, da der Antragsteller gemäß der Bescheinigung des Jugend- und Sozialdienstes des Kreises Rendsburg-Eckernförde im Alter von 16 Jahren völlig unabhängig von der vorliegenden Ausbildung Mitte 2007 u. a. wegen des Entzugs des Sorgerechts für die Mutter in eine Pflegefamilie gegeben worden ist. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Amt für Ausbildungsförderung insbesondere im Widerspruchsbescheid vom 9. September 2013 zur Versagung von Leistungen nach dem BAföG auf die besondere soziale Situation des Antragstellers hingewiesen hat, die im Förderungssystem des BAföG nicht berücksichtigt werden könne. Allerdings hätten die Jobcenter im Rahmen des SGB II die Möglichkeit, soziale Gesichtspunkte - wie sie vorliegend durch den Jugend- und Sozialdienst des Kreises Rendsburg-Eckernförde bestätigt worden seien - bei der Gewährung von Leistungen zu berücksichtigen, weshalb sich der Antragsteller mit dem zuständigen Jobcenter in Verbindung setzen solle. Hintergrund der - auch nach Auffassung des Senats zutreffenden - Ausführungen des Amtes für Ausbildungsförderung ist, dass die in § 2 Abs. 1a Satz 2 BAföG vorgesehene Rechtsverordnung der Bundesregierung über die Gewährung von Ausbildungsförderung auch in den Fällen, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist, nach wie vor nicht verabschiedet ist und daher allein die räumliche Entfernung zwischen Wohn- und Ausbildungsort als Entscheidungsgrundlage nach dem BAföG dienen kann (vgl. etwa Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. März 2013 - 12 A 2601/11, zitiert nach juris Rn. 32 f.).
Auch dieser Gesichtspunkt spricht für eine Leistungsberechtigung des Antragstellers nach dem SGB II durch das System der Grundsicherung, das, anders als das BAföG mit seinen insgesamt pauschalierten und nicht durchgehend bedarfsdeckenden Leistungen, die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen hat (vgl. auch BSG, a.a.O., Rn...