Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherung. Arbeitnehmerüberlassung. Beitragsnachforderung aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.2010. Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheides. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für die gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Vollziehung eines Beitragsbescheides ausgesetzt werden soll, gelten auch die Voraussetzungen des § 86a Abs 3 S 2 SGG (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides oder unbillige Härte).
2. Ernstliche Zweifel iSd § 86a Abs 3 S 2 SGG können auch dann vorliegen, wenn die Rechtmäßigkeit des Bescheides von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet.
3. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderungen aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 - 1 ABR 19/10 können dazu führen, dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs/einer Klage anzuordnen ist.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 12. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.805,41 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt über eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Die Leiharbeitnehmer waren im hier maßgeblichen Zeitraum auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/dem BVD/dem A. M. beschäftigt.
In der Zeit vom 7. April bis 18. August 2011 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2009 durch. Anlass war eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10), die die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig sei, bestätigt hatte. Nach Anhörung mit Schreiben vom 29. August 2011 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 16. September 2011 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 38.416,22 EUR für den Prüfzeitraum nach. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG zur Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge geführt habe. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG und dem darin enthaltenen Grundsatz des Equal-Pay, in dessen Folge die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen Tarifvertrages tätig gewesen seien, von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen könnten, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt worden sei. Dieser tatsächlich zustehende Lohn sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung der für diese Arbeitnehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Aufgrund des in § 22 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) enthaltenen Entstehungsprinzips komme es für die Beitragsansprüche nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den höheren Lohn auch tatsächlich geltend machten. Der Beitragsanspruch entstehe insoweit automatisch mit dem arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch. Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend die personenbezogene Ermittlung der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn in der streitigen Zeit hätten insgesamt 472 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, wobei eine große Anzahl dieser Beschäftigungsverhältnisse lediglich drei Monate gedauert habe. Die Überlassung der Mitarbeiter sei an diverse Entleiher erfolgt. Nach den Ermittlungen betrage die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Leiharbeitnehmer und vergleichbaren Stammarbeitnehmern in Entleihbetrieben 24 %. Dieser Prozentwert gründe sich im Wesentlichen auf die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen “Lohndifferenzial Zeitarbeit„ vom 14. April 2011. Für den Betrieb der Antragstellerin sei die Antragsgegnerin allerdings von einer durchschnittlichen Differenz in Höhe von 9 % ausgegangen. Denn es sei zu berücksichtigten, dass die Antragstellerin ihren Beschäftigten höhere Arbeitsentgelte gezahlt habe, als dies in dem CGZP-Tarifvertrag vorgesehen gewesen sei. Für die Arbeitnehmer seien die erforderlichen Meldungen zu berichtigen. Soweit hier festgestellt worden sei, dass für einen oder mehrere Beschäftigte jeweils Beiträge nachzuerheben seien, sei die Antragstellerin zur Erstattung einer Meldung für jeden dieser Beschäftigten verpflichtet. Von einer Verjährung der Ansprüche könne hier nicht ausgegangen werden, da Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst in 30 Jahren verjährten und V...