Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Pauschgebühr. Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Gebührenermäßigung bei streitiger Sachentscheidung
Leitsatz (amtlich)
In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ermäßigt sich die Pauschgebühr auch dann auf die Hälfte, wenn in der Sache streitig entschieden wird.
Tenor
Die Feststellungsentscheidung vom 26. April 2023 wird geändert. Es wird festgestellt, dass die Erinnerungsführerin für das erste Quartal 2023 einen Gesamtgebührenbetrag von 1.125,00 EUR zu zahlen hat.
Der Erinnerungsgegner hat der Erinnerungsführerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Pauschgebühr für ein durch streitigen Beschluss erledigtes Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu ermäßigen ist.
Die Erinnerungsführerin war als gesetzliche Krankenkasse Gegnerin in einem Beschwerdeverfahren gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einer Versicherten wegen begehrter Epilationsbehandlungen bei Transsexualität abgelehnt worden war. Die Beschwerde zum Az. L 5 KR 9/23 B ER wurde mit Senatsbeschluss vom 16. März 2023 zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 26. April 2023 teilte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Auszug der Streitsachengebühren für das erste Quartal 2023 mit und stellte die Gesamtgebührenschuld in Höhe von 1.237,50 EUR fest. Unter Nummer 4 des Verzeichnisses war das Verfahren L 5 KR 9/23 B ER mit einer Gebühr von 225,00 EUR aufgeführt.
Am 16. Mai 2023 hat die Erinnerungsführerin gegen diese Feststellung Erinnerung beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung macht sie geltend, dass das Landessozialgericht in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss und damit gerade nicht durch Urteil entschieden habe, so dass die Pauschgebühr nach dem eindeutigen Wortlaut des § 186 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu ermäßigen sei. Dies gelte umso mehr, als in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und allgemein in Beschwerdeverfahren, die reine Beschlussverfahren seien, ohnehin kein Urteil ergehen dürfe. Es fehle jeder Beleg dafür, dass der Gesetzgeber, der sich für die Ausgestaltung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes als reines Beschlussverfahren entschieden habe, dennoch eine Belastung der Leistungsträger mit dem vollen Pauschgebührensatz habe vorsehen wollen. Dabei sei auch zu beachten, dass das Pauschgebührensystem der §§ 183 ff. SGG im deutschen Prozessrecht einen Ausnahmecharakter habe und die dort geregelte Kostentragungspflicht der Leistungsträger trotz Obsiegens daher eng auszulegen sei. Die Gebührenermäßigung sei sachlich gerechtfertigt, weil der Aufwand regelhaft geringer sei als in Hauptsacheverfahren, die durch Urteil beendet würden. Selbst wenn solche Verfahren als kontradiktorische Verfahren im Einzelfall erheblichen Aufwand verursachten, sei dies kein Grund, vom klaren Normbefehl abzuweichen; es sei dem Wesen der Pauschgebühr immanent, dass der im Einzelfall betriebene Aufwand außer Ansatz zu bleiben habe.
Sie beantragt,
die Feststellung der Gebührenschuld vom 26. April 2023 für den Abrechnungszeitraum I. Quartal 2023 zu ändern und den Gesamtgebührenbetrag auf 1.125,00 EUR festzusetzen.
Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.
Zur Begründung macht er geltend, dass es bei der Gebührenermäßigung nicht auf den Wortlaut („nicht durch Urteil“) ankomme, sondern darauf, dass etwas kontradiktorisch für die betreffende Instanz entschieden werde. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung solle eine Halbierung der Gebühr nur dann eintreten, wenn das Gericht von der Notwendigkeit entbunden werden, das Verfahren streitig zu entscheiden. Entsprechend führten streitige Entscheidungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes - wie im vorliegenden Fall - nicht zur Ermäßigung der Pauschgebühr.
II.
Die Erinnerung hat Erfolg.
Die Erinnerung ist zulässig. Sie ist gemäß § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft und innerhalb der Monatsfrist formgerecht (§ 65d SGG) mit elektronischem Dokument beim Landessozialgericht eingereicht worden.
Die Erinnerung ist auch begründet. Zu Unrecht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Gebührenschuld der Erinnerungsführerin für das erste Quartal 2023 in Höhe von 1.237,50 EUR festgestellt und dabei - bei ansonsten unstreitigen Einzelgebühren - für das Beschwerdeverfahren zum Az. L 5 KR 9/23 B ER eine Pauschgebühr in Höhe von 225,00 EUR berücksichtigt. Diese Gebühr hat sich gemäß § 186 Satz 1 SGG auf die Hälfte (112,50 EUR) ermäßigt, weil die Sache nicht durch Urteil erledigt worden ist. Die Gebührenforderung ist daher in Abänderung der Feststellungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle in Höhe von 1.125,00 EUR festzustellen.
Die Gebührenreduzierung auch in solchen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die wie das vorliegende durch (streitigen) Senatsbeschluss beendet werden, folgt nach Überzeugung des Senats aus dem Wortlaut...