Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Einrede der Verjährung. Arbeitgeberprüfung ohne Beanstandung. kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln
Orientierungssatz
1. In bloßen, eine fehlende Beitragspflicht nicht aufdeckenden Betriebsprüfungen liegt kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der prüfenden Stelle, das die Bundesagentur für Arbeit hinsichtlich eines Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge an der Erhebung der Einrede der Verjährung hindern könnte (vgl BSG vom 29.7.2003 - B 12 AL 1/02 R = SozR 4-2400 § 27 Nr 1).
2. Im Lohnabzugsverfahren können Bundesagentur für Arbeit und Einzugsstelle grundsätzlich davon ausgehen, dass die Arbeitgeber die Versicherungspflicht richtig beurteilen und bei Zweifelsfällen eine Auskunft von dem zuständigen Versicherungsträger oder der Einzugsstelle einholen (vgl BSG vom 13.6.1985 - 7 RAr 107/83 = BSGE 58, 154 = SozR 2100 § 27 Nr 4). Insofern kann ihnen eine Pflicht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung nicht angelastet werden.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von zu Unrecht geleisteten Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.
Der ...1964 geborene Kläger war vom 1. Januar 1995 bis 30. September 2002 Kaufmännischer Leiter der i... GmbH (im Folgenden: IST). Gleichzeitig war er neben einem Gesellschafter-Geschäftsführer Mitgesellschafter der IST. Beide Gesellschafter waren am Stammkapital mit jeweils 50 v. H. beteiligt. Für den Kläger wurden seit April 1995 bis zum 30. September 2002 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt. Die IST beschäftigte ca. 15 bis 20 Mitarbeiter. Über das Vermögen der IST wurde am 19. November 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Bei einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) am 29. April 2003, die den Zeitraum 1. Januar 2001 bis 30. September 2002 betraf, stellte die damalige Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein (heute: Deutsche Rentenversicherung Nord) fest, dass für den mit 50 v. H. am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Kläger Versicherungspflicht nicht vorgelegen habe (Bescheid vom 5. Mai 2003). Zuvor hatte eine am 15. April 2001 erfolgte Betriebsprüfung der LVA, die den Zeitraum 1997 bis 2000 betraf, in Bezug auf den Kläger nicht zu Beanstandungen geführt (Bescheid vom 26. April 2001). Betriebsprüfungen der AOK Schleswig-Holstein als der für den Kläger zuständigen Einzugsstelle haben seit 1995 nicht stattgefunden.
Dem am 23. Juni 2003 eingegangenen Antrag, die für den Kläger vom 1. April 1995 bis 30. September 2002 entrichteten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zu erstatten, entsprach die Einzugsstelle für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 30. September 2002. Mit Bescheid an den Kläger vom 22. Dezember 2003 erstattete die Beklagte auch den für Dezember 1998 geleisteten Arbeitnehmerbeitrag; den entsprechenden Arbeitgeberanteil erstattete sie an den Insolvenzverwalter der IST. In dem Bescheid vom 22. Dezember 2003 lehnte die Beklagte eine Erstattung der vor dem 1. Dezember 1998 geleisteten Beiträge aus Gründen der Verjährung ab und führte aus, dass ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge nach § 27 Abs. 2 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden seien, verjähre. Somit seien die vor dem 1. Dezember 1998 entrichteten Beiträge verjährt. Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nach Aktenlage nicht vor.
Den wegen der teilweisen Ablehnung des Erstattungsantrags eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2004 als unbegründet zurück. Sie wiederholte und vertiefte den Inhalt des Ausgangsbescheides und führte ergänzend aus, dass keine Anhaltspunkte für eine schuldhafte Verursachung der fehlerhaften Beitragsentrichtung durch das Arbeitsamt E., die Einzugsstelle oder einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung als Prüfinstitution ersichtlich seien. Ihre Berufung auf den Eintritt der Verjährung sei deshalb nicht rechtsmissbräuchlich. Die Einzugsstellen könnten im Lohnabzugsverfahren grundsätzlich davon ausgehen, dass die Arbeitgeber die Versicherungspflicht ihrer Mitarbeiter zutreffend beurteilen würden. Was die durchgeführten Betriebsprüfungen durch die LVA betreffe, könnten solche Prüfungen auf Stichproben oder bestimmte zu prüfende Sachverhalte beschränkt werden. Es bestehe keine Verpflichtung, die Angaben für alle Arbeitnehmer umfassend zu überprüfen. Wenn die Versicherungsfreiheit des Klägers bei einer Betriebsprüfung nicht aufgefallen sei, begründe dies kein Verschulden, das der Erhebung der Einrede der Verjährung entgegenstünde. Ohne Beanstandung abgelaufene Betriebsprüfungen könnten keinen weitergehende...