Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und einer depressiven Erkrankung als Folgen eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Die Gewährung von Verletztenrente hat nach § 56 Abs. 1 SGB 7 u. a. eine unfallbedingte MdE von 20 % zur Voraussetzung.
2. Zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) als Folge eines Arbeitsunfalls verlangt die ICD-10 ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß. Eine Fräsverletzung der Hand erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
3. Eine chronische depressive Erkrankung ist nicht als unfallbedingt anzuerkennen, wenn sie sich im Zusammenhang mit unfallunabhängigen belastenden Lebensereignissen entwickelt hat und psychische Brückensymptome zwischen dem Unfallereignis und dem erstmaligen Auftreten der depressiven Erkrankung fehlen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente.
Der 1964 geborene Kläger erlitt am 26. September 2012 im Rahmen seiner Tätigkeit als Modellbauer eine Fräsverletzung am linken Handrücken.
Der Durchgangsarzt S diagnostizierte am selben Tag eine Schnittverletzung am Handrücken links. Überdies äußerte er den Verdacht auf Durchtrennung oberflächlicher Strecksehnen und einer Verletzung des Digitalnerves N 3. Der Kläger wurde zur operativen Versorgung stationär aufgenommen.
Der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie B, S1, führte in seinem ersten Rentengutachten vom 19. August 2013 (Bl. 195-207 Verwaltungsakte - VA, Band 1) aus, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der Zeit vom 13. August 2013 bis zum 24. Dezember 2013 voraussichtlich in Höhe von 10 v. H. bestehe. Er diagnostizierte einen Zustand nach Strecksehnendurchtrennung des Zeigefingers links, einen Zustand nach Knorpelausriss des Metacarpale-Köpfchens D II und Beugeeinschränkungen, insbesondere im Grundgelenk des Zeigefingers links und eine Hyposensibilität im Bereich der Metacarpalia I bis III links streckseitig. Unfallunabhängig bestehe eine Bandsägeverletzung radial streckseitig am distalen Unterarm links ohne Sehnenverletzung mit Hypersensibilität im Narbenbereich.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Es liege keine MdE von mindestens 20 v. H. vor. Bei folgenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen handele es sich um Unfallfolgen: linke Hand: nach Fräsverletzung am linken Handrücken mit Durchtrennung der Sehne des Zeigefingerstreckers, der Sehne des gemeinsamen Fingerstreckers, Eröffnung des Grund-gelenkes des Zeigefingers sowie Knorpelausriss des Köpfchens des Mittelhandknochens am Zeigefinger bestehe beim Kläger nach operativer Versorgung mit Strecksehnennaht und Grundgelenkkapselnaht: eine Bewegungseinschränkung im Zeigefinger sowie des Mittelfingers, eine entzündliche Grunderkrankung im Zeigefingergrundgelenk, ein knöcherner gedeckter Konturdefekt am Köpfchen des Mittelhandknochens am Zeigefinger und eine Überempfindlichkeit im Bereich der Mittelhandknochen des Daumens, des Zeigefingers und des Mittelfingers. Unfallunabhängig bestünden folgende Gesundheitsstörungen: linker Unterarm: Überempfindlichkeit im Narbenbereich nach speichenseitiger Bandsägeverletzung am körperfernen Unterarm. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf das Gutachten von S1.
Hiergegen legte der Kläger am 4. Februar 2014 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass er unfallbedingt mindestens seit Juni 2013 unter einer chronisch depressiven Erkrankung leide. Er habe das Trauma und die Belastung der Aufgabe seines Berufs nicht verarbeiten können. Auch seien die weiterhin bestehenden starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Hand nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Feinmotorik sei überdies beeinträchtigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Subjektive Beschwerden, wie Schmerzen, führten nicht zu einer höheren Einschätzung der MdE. Hierfür sei in erster Linie die unfallbedingte funktionelle Beeinträchtigung entscheidend. Hinweise auf unfallbedingte psychische Beeinträchtigungen ergäben sich nicht.
Hiergegen hat der Kläger am 4. November 2014 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Folgen des Unfalls seien: die Beeinträchtigung der linken Hand mit Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Verlust der Feinmotorik und psychische Beschwerden. Die MdE sei mit 20 v. H. zu bewerten. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) seien erfüllt. Bis zum Unfall habe er keine psychischen Probleme und ein geregeltes Einkommen, ein normales Leben, gehabt. Er habe...