Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücknahme der Arbeitslosenhilfebewilligung. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. verdecktes Treuhandvermögen

 

Orientierungssatz

1. Für das Recht der Arbeitslosenversicherung bzw die Berücksichtigung von Vermögen bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe muss sich derjenige, der als verdeckter Treuhänder den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, daran im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung festhalten lassen. Im Rahmen der Vermögensanrechnung bei der Bedürftigkeitsprüfung entspricht es der Rechtssystematik ebenso wie billiger Interessenabwägung, das wirtschaftliche Risiko der Durchsetzbarkeit des Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB dem Treugeber aufzubürden, der das verdeckte Treuhandverhältnis ermöglicht und hieraus Vorteile zieht. Darüber hinaus kann ein aufgrund eines verdeckten Treuhandverhältnisses bestehender Herausgabeanspruch nach § 667 BGB auch keine Verfügungsbeschränkung iS des § 6 Abs 2 S 2 AlhiV begründen.

2. Etwas anderes ergibt sich im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung insbesondere nicht aus der Rechtsprechung des BGH, nach der im Einzelfall die Publizität des Treuhandkontos für das Widerspruchsrecht des Treugebers im Rahmen der Drittwiderspruchsklage nach § 771 Abs 1 ZPO im Falle der Zwangsvollstreckung gegen den Treuhänder nicht zwingend erforderlich ist (vgl BGH vom 1.7.1993 - IX ZR 251/92 = NJW 1993, 2622 und vom 8.2.1996 - IX ZR 151/95 = NJW 1996, 1543).

3. Etwas anderes ergibt sich im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung auch nicht daraus, dass bei Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses ggf mit dieser eine stille und antizipierte, dh vor Entstehung der Auszahlungsforderung gegen die Bank vereinbarte Abtretung derselben vom Treuhänder an den Treugeber verbunden ist (§ 398 BGB), gegen die lediglich die Bank nach § 407 BGB geschützt ist, und dass aufgrund der Treuhandvereinbarung ein Rückübertragungsanspruch des Treugebers bestehen würde.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 21.03.2007; Aktenzeichen B 11a AL 21/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 28. April 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 1/10 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie die Erstattung von Alhi und Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.

Die 1940 geborene, seit 2001 verwitwete Klägerin ist türkische Staatsangehörige und lebt nach eigenen Angaben seit 35 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Vom 15. September 1982 bis 30. September 1994 war sie als Küchenhilfe beim D. (Kreisverband K.) beschäftigt. Bis zum 20. November 1994 bezog sie Krankengeld. Auf ihren Antrag vom 21. November 1994 bewilligte die Beklagte ihr antragsgemäß Arbeitslosengeld (Alg) für eine Anspruchsdauer von 832 Tagen. Diese Leistung bezog die Klägerin mit Unterbrechungen durch Krankengeldbezug vom 17. April 1995 bis 28. November 1995 und 19. Januar 1998 bis 15. März 1998 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 26. April 1998. Vom 27. April 1998 bis 31. März 2000 erhielt die Klägerin von der Beklagten Alhi. Seit dem 1. April 2000 bezog sie eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndungsbehörden (Gemeinsame Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt K.-Süd) wurde der Beklagten im April 2003 bekannt, dass die Klägerin am 4. Januar 1994 7.500,00 DM, am 16. September 1994 15.000,00 DM, am 23. Januar 1995 17.000,00 DM und am 7. September 1995 61.500,00 DM, insgesamt also 101.000,00 DM, unter ihrem Namen über die D. Bank auf Konten bei der in A. ansässigen türkischen Zentralbank (T. Bankasi, nachfolgend: TCMB) transferiert und dort unter ihrem Namen hochverzinslich angelegt hatte. Diesen Geldbetrag und auch die unter ihrem Namen geführten Konten bei der TCMB hatte die Klägerin seinerzeit in ihren Alhi-Anträgen vom 23. April 1998 und 13. März 1999 nicht angegeben. Vielmehr hatte sie dort mitgeteilt, über kein Vermögen (Bargeld, Bankguthaben und sonstige Wertpapiere) zu verfügen, worauf ihr von der Beklagten mit Bescheid vom 28. April 1998 ab 27. April 1998 antragsgemäß Alhi nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 730,00 DM in Höhe von wöchentlich 296,31 DM (täglich 42,33 DM) bis 31. Dezember 1998 bewilligt worden war. Ab 1. Januar 1999 erhielt die Klägerin Alhi in Höhe von wöchentlich 300,79 DM (täglich 42,79 DM; Bescheid vom 7. Januar 1999), vom 27. April 1999 bis 31. Dezember 1999 in Höhe von wöchentlich 297,78 DM (täglich 42,54 DM; Bescheid vom 26. März 1999) und vom 1. Januar 2000 bis 31. März 2000 in Höhe von wöchentlich 302,05 DM (täglich 43,15 DM; Bescheid vom 5. Januar 2000). Ab 27. April 1999 bezog die Klägerin Alhi auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 720,00 DM. In sämtlichen Leistungsanträgen bestätigte sie mit ihrer Unterschrift, das Merkblatt 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu habe...

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