Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfung der Wirtschaftlichkeit zahnärztlicher Leistungen durch die Kassenzahnärztliche Vereinigung bzw. das Sozialgericht
Orientierungssatz
1. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit vertragsärztlicher Leistungen erfolgt gemäß § 106 Abs. 3 S. 1 SGB 5 i. V. m. § 9 Abs. 1 der Prüfvereinbarung vom 9. 3. 2009 nach Durchschnittswerten. Regelprüfmethode ist die statistische Vergleichsprüfung.
2. Eine Überschreitung um 100 % ist als Anhalt für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit in jedem Fall anerkannt. Das BSG hat bei Einzelleistungen zum Teil bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 bis 50 % diese als offensichtlich unwirtschaftlich angesehen (BSG Urteil vom 16. 7. 2003, B 6 KA 45/02 R).
3. Die Frage, welche statistische Grundlage für die Vergleichsprüfung heranzuziehen ist, ist eine rechtliche. Das Gericht verstößt infolgedessen bei der Ablehnung eines Antrags auf Einholung eines mathematisch-statistischen Sachverständigengutachtes nicht gegen die Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Kiel vom 23. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 3.155,92 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Honorarkürzungen für das Quartal IV/2010 im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung.
Der Kläger ist seit März 1976 zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Vertragsarztsitz in L...zugelassen.
Die Gemeinsame Prüfungsstelle für den Bereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung S... informierte den Kläger mit Schreiben vom 19. April 2012 über die Wirtschaftlichkeitsprüfung seiner konservierend-chirurgischen Abrechnungen des Quartals IV/2010.
Mit Prüfbescheid vom 8. August 2013 wurde dem Kläger nach Beschluss der 1. Beratungskommission der Gemeinsamen Prüfungsstelle vom 22. Mai 2013 seine Honorarforderung für das Quartal IV/2010 um 3.386 Punkte gekürzt. Das Kürzungsvolumen folgte aus der Kürzung der abgerechneten BEMA-Z-Positionen 105 (Mu) und 106 (sK) auf 180% des Durchschnitts der Zahnärzte in S..._
Gegen diesen ihm am 9. August 2013 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am selben Tag Widerspruch, zu dessen Begründung er schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Beklagten im Wesentlichen Einwände gegen die statistische Vergleichsprüfung geltend machte: die von ihm vor dem BSG erstrittenen Entscheidungen zur Nichtberücksichtigung von Nullabrechnungen seien nicht beachtet worden. Etliche Zahlen der Vergleichsstatistik wiesen Werte unter 0 auf. Fehlerhaft seien auch die in der Statistik für den Landesdurchschnitt auftauchenden Werte unter 1%. Die Statistik stimme eher, wenn alle Zahnärzte einer Berechnung von 100 Patienten gleich 1 Leistung entsprächen. Praxen mit unterschiedlicher Größe würden in einen Topf geworfen. Die Zahlen seien intransparent, insbesondere bezüglich der Berücksichtigung von Leistungen, die nicht so häufig erbracht würden unter Berücksichtigung von sehr kleinen, scheinschwachen Praxen. Im Übrigen sei die Abrechnungsprüfung verfristet, insbesondere verjährt und jedenfalls verwirkt. Ausführungen zu den einzelnen gekürzten Positionen erfolgten nicht.
Dem Kläger wurden von dem Beklagten die ursprünglichen und korrigierten von der Beigeladenen zu 6) erstellten Statistiken zu den Landesdurchschnittswerten für das streitige Quartal übersandt. Nach Rücksprache mit der Beigeladenen zu 6) erläuterte der Beklagte, dass die zahnarztbezogenen Einzelleistungsstatistiken nullstellenbereinigt seien, wie sich aus dem Kopf der Statistik ergebe. Nur die Abrechnungen der Praxen, die die jeweilige BEMA-Z-Position mindestens einmal abgerechnet hätten, seien einbezogen worden. Dies folge auch aus der Gesamtdarstellung der Statistik. Der Landesdurchschnitt könne bei Positionen mit geringer Leistungsanzahl auch unter 1% liegen.
Der Beklagte entschied in seiner Sitzung am 10. Dezember 2014 über den Widerspruch des Klägers und verringerte das Kürzungsvolumen im Hinblick auf die Korrektur der Statistik vom 18. Februar 2014 auf 3.302 Punkte. Diesen Beschluss fertigte er mit Prüfbescheid vom 4. Mai 2015 aus. Die Prüfung sei auf der Grundlage einer statistischen Vergleichsprüfung durchgeführt und durch eine intellektuelle Betrachtung, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtige, ergänzt worden. Die der Entscheidung zugrunde liegende Statistik sei fehlerfrei und nullstellenbereinigt. Auch sei die Grenze der statistischen Vergleichsprüfung bei besonders kleinen Praxen mit einer Fallzahl von weniger als 20% der landesweiten durchschnittlichen Fallzahl bei dem Kläger nicht erreicht. Die Prüfung des Gesamtfallwerts des Klägers in Punkten pro Versichertem (insgesamt 386) führe zu dem Ergebnis, dass er den landesweiten durchschnittlichen Fallwert von 72,05 Punkten mit 72,83 Punkten um deutlich weniger als 30% überschritten ...