Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System. Ansatz einer Nebendiagnose iS der Codierrichtlinie bei besonders umfänglichem diagnostischen Aufwand
Orientierungssatz
Die Tatsache, dass der diagnostische Aufwand aufgrund einer Grunderkrankung oder eines erforderlichen Eingriffes infolge dessen Schwere besonders umfänglich ist, rechtfertigt noch nicht den Ansatz einer Nebendiagnose iS der Codierrichtlinie, solange die vorbereitenden präoperativen Maßnahmen allein auf das Ziel des durchzuführenden Eingriffs - hier einer Lungenoberlappenteilresektion - gerichtet ist und allein seinem Zweck dient.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. Juni 2008 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des zweiten Rechtszuges.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.118,76 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Kostenerstattung der Klägerin für eine Krankenhausbehandlung. Dabei geht es darum, ob eine Nebendiagnose zutreffend berücksichtigt worden ist.
Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus, das zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist. In der Zeit vom 15. Juni bis 3. Juli 2004 wurde dort die 1934 geborene Versicherte der Beklagten I... G... stationär behandelt. Die Krankenhauseinweisung erfolgte durch den Internisten Dr. M..., Hamburg, wegen eines Lungenrundherds und eines Nebennierenbefundes. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 5. August 2004 wurden folgende Diagnosen gestellt:
1. Zustand nach Lungenoberlappenteilresektion links
2. Zustand nach Vena tibialis posterior-Thrombose links; Zustand nach Hüft-TEP links
3. Raumforderung unbekannter Dignität dorsal der linken Nebenniere
4. obstruktive Atemwegserkrankung bei Nikotingewöhnung
5. arterielle Hypertonie
6. Histologie des OP-Präparates: älteres, bindegewebig abgekapseltes Tuberkulom
Die Klägerin stellte der Beklagten am 7. Juli 2004 für die Behandlung 8.022,78 EUR (zuzüglich weiterer Zuschläge) in Rechnung. Dabei erfasste sie die Diagnose 2 des Entlassungsberichts als Erkrankung Nr. I 80.2 nach den ICD-10 (Phlebitis und Thrombophlebitis sonstiger tiefer Gefäße der unteren Extremitäten) und behandelte sie als Nebendiagnose im Rahmen der DRG (Diagnosis Related Group). Sie setzte in der Abrechnung die DRG E 01 A an (Revisionseingriffe, beidseitige Lobektomie, erweiterte Lungenresektionen und andere komplexe Eingriffe am Thorax mit Revisionseingriff, beidseitiger Lobektomie, erweiterter Lungenresektion oder Endarteriektomie der A.pulmonalis, mit äußerst schweren CC (“Komplikation oder Komorbidität")). Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Hamburg vom 29. Oktober 2004 ein. Dieser führte aus, eine Nebendiagnose I 80.2 des ICD-10 und eine frische Thrombose mit Behandlungsrelevanz seien nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Angesichts der Angabe “Z.n. Thrombose" sei mit großer Wahrscheinlichkeit ein älteres Geschehen anzunehmen. Daher sei die Abrechnung ohne die Nebendiagnose nach einer DRG E 01 B (Revisionseingriffe, beidseitige Lobektomie, erweiterte Lungenresektionen und andere komplexe Eingriffe am Thorax mit Revisionseingriff, beidseitiger Lobektomie, erweiterter Lungenresektion oder Endarteriektomie der A.pulmonalis, ohne äußerst schwere CC) anzunehmen. Die Klägerin führte demgegenüber aus, die Thrombose sei vermutlich im Zusammenhang mit der TEP-Operation aufgetreten und habe damit zum Zeitpunkt der Lungenoperation maximal zwei Monate zurückgelegen. Da in ihrem Krankenhaus zur perioperativen Risikominimierung ein Ressourcenverbrauch entstanden sei, sei die vorgenommene Codierung sachgerecht. Am 18. Juni 2004 sei präoperativ eine Phlebosonographie durchgeführt worden, die eine Abschnittsthrombose dokumentiert habe. Daher sei eine subkutane Thromboseprophylaxe vorgenommen und ATS eingesetzt worden. Im Verlauf des weiteren Schriftwechsels holte die Beklagte Stellungnahmen des MDK Hamburg vom 14. Januar, 11. April und 7. Juni 2005 ein. Die weiteren Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten verliefen ergebnislos. Am 27. Juni 2006 stornierte die Beklagte die vorgenommene Abrechnung, korrigierte sie und wies auf der Grundlage der DRG E 01 B einen Betrag in Höhe von 5.905,75 EUR an die Klägerin an.
Am 12. Dezember 2006 hat die Klägerin den Differenzbetrag bei dem Sozialgericht Lübeck im Klagwege geltend gemacht und ausgeführt, sie habe die Thrombose zu Recht als Nebendiagnose angesetzt. Nach den deutschen Codierrichtlinien in der Version von 2006 sei eine Nebendiagnose als Krankheit oder Beschwerden definiert, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose beständen oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelten. Die Erkrankungen müssten das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass entweder therapeutische oder diagnostische Maßnahmen erforderlich wü...