Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Hausnebenkosten bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft für einen im Eigenheim wohnenden Hilfebedürftigen
Orientierungssatz
1. Bewohnt der Empfänger von Leistungen für die Unterkunft nach § 22 SGB 2 ein Eigenheim, so sind bei der Ermittlung der anrechnungsfähigen Hausnebenkosten Darlehenszinsen zu berücksichtigen, dagegen nicht Tilgungsleistungen. Leistungen des SGB 2 sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen. Tilgungsleistungen sind nur dann vom Leistungsträger zu übernehmen, wenn es um die Erhaltung von langjährig bewohntem Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen weitgehend abgeschlossen ist. Die entsprechenden Kosten sind damit im Rahmen des § 22 SGB 2 zuschussweise grundsätzlich nicht zu berücksichtigen.
2. Diese nicht berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten sind vom Grundsicherungsträger auch nicht darlehensweise zu übernehmen. Die Ausnahmeregelung nach § 24 Abs. 1 SGB 2 setzt insoweit einen nicht gedeckten unabweisbaren Bedarf voraus, welcher einzelfallbezogen sein muss. Tilgungsleistungen gegenüber der Bank sind regelmäßig monatlich zu erbringen.
3. Diese Auslegung wird zuletzt vom BSG in dessen Entscheidung vom 3. 12. 2015, B 4 AS 49/14 bestätigt.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1, § 24 Abs. 1; WoGG § 12; SGG § 99 Abs. 3 Nr. 2, § 144 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen, zustehenden Unterkunftskosten.
Die am … 1958 geborene Klägerin zu 1. und der am … 1956 geborene Kläger zu 2. sind seit 2005 verheiratet. Sie stehen seit dem 1. August 2012 im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Kläger bewohnen ein 2009 erworbenes Eigenheim in S… mit einer Wohnfläche von 94 m² und einer Grundstücksgröße von 987 m². Für die Finanzierung haben die Kläger vier Darlehensverträge (Darlehenssumme insgesamt 101.416,32 EUR) mit der I…bank Schleswig-Holstein (im Folgenden: I-Bank) abgeschlossen. Mit Bescheid vom 16. Juli 2013 bewilligte der Beklagte ihnen für die Zeit vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014 Leistungen in Höhe von monatlich 1.171,47 EUR. Dabei berücksichtige er als Kosten der Unterkunft nach zuvor erfolgter Kostensenkungsaufforderung vom 5. Oktober 2012 die Unterkunftsaufwendungen der Kläger bis zur Höhe der von ihm für einen 2-Personen-Haushalt für angemessen gehaltene Miete von 375,00 EUR zuzüglich der tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 184,00 EUR. Berücksichtigt waren dabei die von den Klägern bereits im August 2012 geltend gemachten monatlichen Schuldzinsen in Höhe von 381,40 EUR; Tilgungsleistungen blieben unberücksichtigt. Zuvor hatte der Beklagte für das selbstgenutzte Eigenheim der Kläger die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung in voller Höhe (632,26 EUR - ebenfalls einschließlich Schuldzinsen ohne Tilgungsleistungen in Höhe von 381,40 EUR) berücksichtigt (zuletzt mit Bescheid vom 12. April 2013). Gegen den Bescheid vom 16. Juli 2013 erhoben die Kläger Widerspruch und wandten sich insbesondere gegen die Kürzung bei den Unterkunftskosten. Sie machten die Übernahme dieser Kosten in tatsächlicher Höhe geltend.
Mit Beschluss vom 3. September 2013 (Az. S 16 AS 118/13 ER) verpflichtete das Sozialgericht Schleswig den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung, der Leistungsgewährung für die Zeit vom 9. August 2013 bis 31. Januar 2014 vorläufig Kosten der Unterkunft in Höhe von 418,00 EUR (ohne Heizkosten) zu gewähren. Einen weitergehenden Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Sozialgericht ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kläger wies der Senat mit Beschluss vom 9. Oktober 2013 (Az. L 3 AS 170/13 B ER) wegen Nichterreichung des Beschwerdewerts von mehr als 750,00 EUR zurück.
Das Sozialgericht begründete seine im Eilverfahren ergangene Entscheidung damit, dass für Wohnungseigentümer die für Wohnungsmieter geltenden Maßstäbe gelten würden. Bei der Prüfung der Angemessenheit von Unterkunftskosten sei festzustellen, dass der Beklagte für den in Rede stehenden Zeitraum nicht über ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verfüge. Da im Eilverfahren keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten bestünden, sei auf die Werte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) - insbesondere zu § 12 WoGG - unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen. Hieraus errechne sich ein abstrakt angemessener Höchstbetrag von 418,00 EUR. Das Sozialgericht ist bei seiner Entscheidung im Eilverfahren davon ausgegangen, dass die tatsächlichen Unterkunftskoste...