Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflicht zur Verwertung einer bestehenden Lebensversicherung bei beantragten Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit sind nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Fehlt es an einer Möglichkeit zur Verwertung zu berücksichtigenden Vermögens im sechsmonatigen Bewilligungszeitraum. so besteht Hilfebedürftigkeit mit der Folge, dass auf Antrag darlehensweise Leistungen zu erbringen sind.

2. Das BSG hat bei der Kündigung einer Lebensversicherung eine Verlustquote von 12,9 % noch nicht als offensichtlich unwirtschaftlich angesehen. Es hat dagegen bei einer Verlustquote von 18,5 % bei rein isolierter Betrachtung des Verhältnisses von eingezahlten Beträgen und Rückkaufswert Zweifel an der Verwertungspflicht gehegt (BSG Urteil vom 6. 9. 2007, B 14/7b AS 66/06 R).

 

Normenkette

SGB II § 12 Abs. 3 Nrn. 6, 2-3, §§ 36, 41 Abs. 1 S. 4; SGB II a.F. § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, 4, Abs. 2, 4-5, § 9 Abs. 1, 4, § 12 Abs. 2 Nrn. 1-4, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1-2, §§ 22, 23 Abs. 5; VVG a.F. §§ 5a, 165 Abs. 3; Alg II-V a.F. § 4 Abs. 1; AltZertG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 2004-07-05

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 17. September 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren sowie für das Revisionsverfahren B 14 AS 10/13 R nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), das sie noch für die Zeit vom 1. Mai bis 30. Juni 2007 begehrt. Im Streit ist insbesondere die Berücksichtigung einer Lebensversicherung.

Die 1964 geborene, alleinstehende Klägerin bezog bis einschließlich 1. Mai 2007 Arbeitslosengeld (ALG I) von der Agentur für Arbeit in Höhe von 32,98 EUR täglich. Das ALG I für den 1. Mai 2007 floss am 7. Mai 2007 zu. Bereits am 26. April 2007 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II ab dem 1. Mai 2007. Im Zeitpunkt der Antragstellung verfügte die Klägerin über ein zehn Jahre altes Kraftfahrzeug (Opel Combo), ein Girokonto bei der R... Bank in H... mit einem Guthaben von 2.037,12 EUR (Stand 1. Mai 2007), ein Sparkonto bei der P...bank mit einem Guthaben von 2.125,36 EUR und eine private Rentenversicherung ohne Verwertungsausschluss seit 1. August 1997 bei der B... Lebensversicherung AG mit einem Rückkaufswert zum 1. Mai 2007 von 6.493 EUR zuzüglich 96,50 EUR Gewinnbeteiligung bei bisher geleisteten Beiträgen von 7.911,77 EUR. Die B... Lebensversicherung ruht seit dem 1. Juni 2007. Weiterhin verfügte die Klägerin seit dem 1. Dezember 1999 über eine kapitalbildende Lebensversicherung ohne Verwertungsausschluss bei der H...M... mit einem Rückkaufswert zum 1. Juni 2007 von 1.440,14 EUR bei bis dahin fälligen Beiträgen von 2.583,78 EUR.

Nachdem der Beklagte mehrfach vergeblich die Vorlage im Einzelnen aufgezählter Unterlagen, insbesondere des Mietvertrages und der Vermieterbescheinigung, unter Hinweis auf die Mitwirkungspflichten angemahnt hatte, lehnte er den Leistungsantrag mit Bescheid vom 12. Juni 2007 wegen nicht nachgewiesener Hilfebedürftigkeit ab. Mit Schreiben vom 12. Juni 2007 reichte die Klägerin einen handschriftlichen Mietvertrag im Original (datiert auf den 1. September 2003) sowie eine Mietbescheinigung vom 12. Juni 2007 ein. Danach hatte die Klägerin als Untermieterin für ein 16 m² großes Zimmer in der S...straße 62 in Ha... monatlich 140,00 EUR kalt zuzüglich 10,00 EUR Heizkosten zu zahlen.

Am 26. Juni 2007 legte sie gegen den Ablehnungsbescheid vom 12. Juni 2007 Widerspruch ein. Mit Fax vom 1. Juli 2007 teilte sie im Übrigen eine Arbeitsaufnahme ab dem 1. Juli 2007 in Hb... mit; die erste Gehaltszahlung erfolge am 1. August 2007.

Am 7. Juli 2007 - einem Sonnabend - fand unter der Adresse in Ha... mit Einverständnis der Klägerin, die sich nach eigenen Angaben nur noch kurzzeitig in Ha... aufhielt, ein Hausbesuch statt. Die Räume der Klägerin erwiesen sich dabei als nahezu leer. Sie gab an, die Wohnung lediglich noch abzuwickeln, tatsächlich habe sie sich aus beruflichen Gründen vollständig nach Hb... orientiert und lebe dort in einer Wohngemeinschaft.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2007 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ab. Die Klägerin verfüge über ein Gesamtvermögen in Höhe von 11.928,67 EUR. Nach Abzug des altersabhängigen Vermögensfreibetrages von 7.050,00 EUR bestehe ein Vermögensüberhang in Höhe von 4.878,67 EUR. Das den Vermögensfreibetrag übersteigende Vermögen aus den Girokonto- und Sparkontoguthaben sowie den Rückkaufswerten der Versicherungen sei zu verwerten und decke den Bedarf der Klägerin...

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