Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Zweipersonenhaushalt im Kreis Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Angemessenheitsprüfung. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. Heranziehung der Wohngeldtabelle wegen Erkenntnisausfalls
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten muss in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erfolgen und auf einer validen Datengrundlage beruhen.
2. Die überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von SGB II-Empfängern, ohne dass dieser Aspekt im Methodenbericht Berücksichtigung findet, verstößt gegen das Transparenzgebot.
3. Mietverträge, die älter als vier Jahre sind bzw. die länger als vier Jahre keine Änderung erfahren haben, lassen keine sicheren Schlüsse über das aktuelle Mietniveau zu.
4. Für die Erstellung eines Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist eine nachvollziehbare Nachfrageanalyse für die einzelnen Haushaltsgrößen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentumsquote notwendig.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. Oktober 2015 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom Juli 2015 bis Dezember 2015.
Die 1970 geborene Klägerin zu 1) erhielt gemeinsam mit dem 1999 geborenen Kläger zu 2) und dem 1992 geborenen Sohn A. T. nach der Trennung von ihrem Ehemann und Auszug aus der gemeinsamen Wohnung seit dem 1. Januar 2010 von dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Kläger zu 2) besuchte bis Sommer 2016 die ... -.-Schule in H. (Förderzentrum Lernen).
Mit Zustimmung des Beklagten bezog die Klägerin gemeinsam mit ihren Kindern am 1. Januar 2010 eine 70,96 m² große 3-Zimmer-Wohnung (1. Stock) in der ... -Straße ... in H. mit einer Bruttokaltmiete in Höhe von ursprünglich 419,42 EUR (Grundmiete 326,42 EUR, Betriebskosten 93,00 EUR). Nachdem der Sohn A. am 22. Juli 2011 zu seinem Vater zog, forderte der Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 9. August 2011 zur Senkung der Unterkunftskosten auf, da die für einen 2-Personen-Haushalt in H. angemessene Miete 373,00 EUR bruttokalt betrage.
Seit dem 1. Mai 2015 betrug die Bruttokaltmiete 470,51 EUR (Grundmiete 355,51 EUR, Betriebskosten 115,00 EUR). Der Heizkostenabschlag betrug ab Januar 2015 monatlich 67,00 EUR.
Mit Schreiben vom 31. März 2014 hat der Beklagte die Kläger erneut zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert, da die für einen 2-Personen-Haushalt in H. angemessene Miete 368,40 EUR bruttokalt betrage und ab dem 1. August 2014 nur noch die angemessenen Unterkunftskosten übernommen werden könnten.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Juni 2015 Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 368,40 EUR zuzüglich Heizkosten in Höhe von 67,00 EUR. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 3. Juli 2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2015 zurück.
Mit Beschluss vom 31. Juli 2015 (S 16 AS 184/15 ER) hat das Sozialgericht Itzehoe den Beklagten antragsgemäß verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 13. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 vorläufig weitere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 442,40 EUR zuzüglich Heizkosten zu gewähren.
Am 5. August 2015 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben und zur Begründung auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen. Ergänzend haben sie vorgetragen, dass den Klägern ein Wohnungswechsel auch nicht zumutbar sei. Der Kläger zu 2) besuche eine Förderschule für Lernbehinderte; ein Schulwechsel sei unzumutbar. Angesichts der erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin zu 1) sei diese auf eine im Erdgeschoss bzw. im ersten Stock gelegene Wohnung angewiesen; ein Umzug sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar. Vor diesem Hintergrund sei fraglich, ob Alternativwohnraum tatsächlich verfügbar sei. Insgesamt sei festzustellen, dass die vorgelegte Wohnmarktanalyse zur Ermittlung der Angemessenheitsobergrenze nach § 22 SGB II nicht tauglich sei. Es sei daher auf die Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zuzüglich eines Zuschlags von jedenfalls 10% abzustellen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird insbesondere auf den Schriftsatz vom 13. Oktober 2015 Bezug genommen.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 17. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2015 zu verurteilen, den Klägern für den Zeitraum 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 462,09 Euro brutto kalt für die Wohnung in der ... -Straße ......