Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Krankenhilfe. Krankenhausbehandlungskosten. sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Berufung des notwendig beigeladenen Krankenhausträgers. Beschwer. Leistungsausschluss für Ausländer. Ermessensleistung. Ermessensreduzierung auf Null. Abgrenzung zum Nothelferanspruch. Aufteilung der DRG-Fallpauschale pro rata temporis. Zuordnung des Tags der Kenntniserlangung. Berücksichtigung des Entlassungstags
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch auf Übernahme von Krankenhausbehandlungskosten im Rahmen der Hilfe zur Gesundheit bei EU-Ausländern.
2. Der im Verfahren zwischen der um Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten nachsuchenden Person und dem Sozialhilfeträger notwendig beigeladene Krankenhausträger ist durch ein klagabweisendes Urteil nicht selbst beschwert.
3. Bei der Abgrenzung von Nothelferanspruch (§ 25 SGB XII) und originärem Sozialhilfeanspruch und der insoweit vorzunehmenden Aufteilung der DRG-Fallpauschale pro rata temporis ist der Tag der Kenntniserlangung insgesamt dem Sozialhilfeanspruch zuzurechnen.
4. Maßgeblich für die Aufteilung pro rata temporis ist die tatsächliche Zahl der Belegtage einschließlich des Entlassungstags.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21. März 2018 und der Bescheid der Stadt Elmshorn vom 16. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. September 2014 geändert.
Der Beklagte wird dazu verurteilt, die Kosten des Klägers für dessen Behandlung im Krankenhaus der Beigeladenen zwischen dem 10. September 2013 und dem 14. November 2013 in Höhe von insgesamt 92.701,07 EUR zu übernehmen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Die Berufung der Beigeladenen wird verworfen.
Der Beklagte hat dem Kläger 9/10 seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 101.128,44 EUR wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts hat.
Der 1989 geborene Kläger ist litauischer Staatsangehöriger. Er wurde am 4. September 2013 nachts gegen 2.15 Uhr von einem aus P (D) kommenden und in Richtung H fahrenden Güterzug erfasst und 3 km weit mitgeschleift, als er in E die Bahngleise überquerte. Durch die Kollision zog sich der Kläger schwere Verletzungen am Brustkorb, am Bein und am Unterleib zu. Der Kläger wurde vom Rettungsdienst im Gleisbett im Bereich B Straße in E geborgen, von dort aus mit Rettungswagen in die Klinik A, ein Krankenhaus der Beigeladenen, verbracht und in den Morgenstunden des 4. September 2013 notfallmäßig aufgenommen. Hier wurde der Kläger zunächst bis zum 14. November 2013 intensivmedizinisch behandelt und danach in die A Klinik G verlegt. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung in jener Klinik dauerte bis zum 20. Dezember 2013. Dann holte seine Familie den Kläger dort im Krankenhaus ab und verbrachte ihn mit einem privat organisierten Krankentransport nach L.
Am 10. September 2013 hatte die A Klinik A die Krankenhauskosten unter Hinweis auf § 25 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zwecks Fristwahrung beim Grundsicherungs- und Sozialamt der Stadt H angemeldet. Nachdem diese ihre Zuständigkeit verneint hatte, erfolgte am 23. September 2013 eine erneute Anmeldung bei der Stadt E. Der Kläger sei aufgrund seiner schweren Verletzungen nach wie vor nicht kontaktierbar.
Das Amtsgericht Hamburg-Altona hatte den Berufsbetreuer F am 12. September 2013 zum Betreuer des Klägers bestellt und den wahrzunehmenden Aufgabenkreis beschrieben als
- die Sorge für die Gesundheit des Betroffenen,
- die Aufenthaltsbestimmung im Rahmen der Gesundheitssorge,
- die Vermögenssorge,
- Angelegenheiten der Kurzzeitpflege,
- Interessenvertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Sozialleistungsträgern.
Unter dem Datum vom 20. September 2013 stellte der Betreuer des Klägers bei der Stadt E formlos den Antrag, die Krankenbehandlungskosten für den Kläger ab dem 4. September 2013 zu übernehmen. Er führte aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt seines Unfalls keiner Beschäftigung nachgegangen sei, keine abgeschlossene Ausbildung gehabt und von der finanziellen Unterstützung seiner Mutter gelebt habe. Diese habe ihm eine Reise in die N finanziert. Auf dem Rückweg von dieser Reise sei er im Bahnhof E verunfallt. Ihm - dem Betreuer - sei nicht bekannt, dass der Kläger krankenversichert sei. Im Krankenhaus habe er aber erfahren, dass die Mutter des Klägers sich zwischenzeitlich um einen Behandlungskosten abdeckenden Krankenversicherungsschutz bemüht habe.
Mit Schreiben vom 21. November 2013 stellte die Beigeladene dem Kläger für die Krankenhausbehandlung zwischen dem 4. September und dem 14. November 2013 einen Gesamtbetrag von 101.128,44 EUR in Rechnung. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 65 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Bescheid ...