Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsvertrag. Regelung über Bildung einer individuellen Obergrenze. Wachstumsärzte. Berufsausübungsgemeinschaften

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit einer Regelung im Honorarverteilungsvertrag einer Kassenärztlichen Vereinigung über die Bildung einer individuellen Obergrenze für Wachstumsärzte und für Berufsausübungsgemeinschaften, an denen Wachstumsärzte beteiligt sind.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.01.2018; Aktenzeichen B 6 KA 2/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Januar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 9.777,93 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung für das Quartal II/09.

Die Klägerin ist eine hausärztlich - internistische Gemeinschaftspraxis in F., die aus Herrn G. und Frau Dr. S. besteht. Frau Dr. S. ist seit 1. Januar 2006 Praxispartnerin und seitdem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 25. März 2009 teilte die Beklagte der Klägerin die Obergrenze für das Quartal II/09 in Höhe von 49.396,87 € mit. Dabei wies sie für Herrn G ein Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 20.857,91 € und für Frau Dr. S. eine Obergrenze von 28.598,96 € aus. Sie wies darauf hin, dass für Wachstumsärzte eine maximal erreichbare Obergrenze aus der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe und dem Fallwert der Arztgruppe errechnet werde. Die individuelle Obergrenze für die Honorarabrechnung ergebe sich aus der abgerechneten Fallzahl im Quartal II/09 (maximal Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe) und dem Fallwert der Arztgruppe.

Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 26. März 2009.

Mit Honorarabrechnung vom 16. Oktober 2009 gewährte die Beklagte der Klägerin für das Quartal II/09 ein Gesamthonorar in Höhe von 57.024,91 €. Dem lag ein Gesamt RLV der Praxis in Höhe von 37.176,28 € zu Grunde, welches sich aus der Addition des RLV für Herrn G. und der Obergrenze für Frau Dr. S. ergab. Letztere bemaß die Beklagte anhand der in II/09 tatsächlich erreichten Fallzahl von 408 mit 16.318,37 €.

Dagegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 12. November 2009.

Mit Bescheid vom 23. Februar 2011 änderte die Beklagte die getroffenen Regelungen für das Quartal II/09 ab. Eine Zuordnung der RLV-relevanten Fälle erfolge nunmehr abweichend von der vorherigen Regelung nicht nach Kopfteilen, sondern nach dem Verhältnis der im Quartal III/08 abgerechneten Versichertenpauschalen. Dies ergebe ein Verhältnis von 46,6 % (S.) zu 53,4 % (G.). Für Herrn G. errechne sich ein RLV im Umfang von 22.273,76 € und für die gesamte Praxis von 38.592,13 €. Die Klägerin habe daher Honorarnachzahlungen im Umfang von 1.132,14 € zu erwarten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Dabei stellte sie die allgemeinen Regelungen zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen nach RLV ab 1.Januar 2009 und die besonderen Regelungen für Berufsausübungsgemeinschaften und Ärzte in der Wachstumsphase dar. In Berufsausübungsgemeinschaften werde die Zahl der RLV-Fälle eines Arztes aus den ihm eindeutig zuzuordnenden Fällen und seinem Anteil der nicht eindeutig zuzuordnenden Fälle ermittelt. Die nicht eindeutig zuzuordnenden Fälle würden pauschal über die angesetzten Pauschalen verteilt. So sei auch vorliegend verfahren worden. Hinsichtlich des Unterschreitens des RLV für Frau Dr. S. in der Honorarabrechnung gegenüber der zuvor mitgeteilten Obergrenze sei darauf hinzuweisen, dass für Wachstumsärzte eine maximal erreichbare Obergrenze gebildet werde, die auf der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe basiere. Im Gegensatz dazu sei im Rahmen der entsprechenden Honorarabrechnung die von dem Wachstumsarzt tatsächlich erreichte Anzahl der RLV-relevanten Fälle entscheidend. Durch Heranziehung der jeweils aktuellen Fallzahl sei es neuen Ärzten hinreichend ermöglicht worden, den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen.

Am 16. Mai 2011 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Kiel erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Beklagte habe erst im Rahmen des Honorarbescheides rückwirkend für den strittigen Abrechnungszeitraum für die Wachstumsärztin Dr. S. ein RLV ermittelt, welches unter den Werten des Fachgruppendurchschnitts gelegen habe, die in der vorangegangenen Mitteilung über die Obergrenze genannt worden seien. Aus ihrer Sicht beschränke sich daher der Streitgegenstand auf die Honorarabrechnung. Der Honorarbescheid sei aber rechtswidrig. Für die spätere Begrenzung der bereits mitgeteilten RLV aufgrund der Fallzahlen im Abrechnungsquartal existiere mit gutem Grund keine Rechtsgrundlage. Die rückwirkende Bildung eines RLV bzw. einer Obergrenze erst mit der Honorarabrechnung sei rechtswidrig. Selbst wenn man dies grundsätzlich für zulässig erachten würde, sei jedenfalls die Berechnung dieser Obergrenze recht...

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