Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des vertragsärztlichen Regelleistungsvolumens
Orientierungssatz
1. Das Vergütungssystem für vertragsärztliche Leistungen nach § 87b SGB 5 differenziert nach Arztgruppen sowie nach Morbiditätskriterien und Versorgungsgraden. Dabei sind nach § 87b Abs. 3 S. 3 SGB 5 bei der Bestimmung der Regelleistungsvolumina (RLV) auch Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Die Zuweisung der RLV erfolgt praxisbezogen.
2. Das gesetzgeberische Ziel der RLV liegt in der Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung ärztlicher Tätigkeit i. S. des § 85 Abs. 4 S. 6 SGB 5. Dies wird dadurch erreicht, dass das RLV grundsätzlich an der Fallzahl des betreffenden Arztes im Vorjahresquartal ausgerichtet wird und damit der zwischenzeitliche Fallzahlenzuwachs unberücksichtigt bleibt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17. Juni 2015 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird (für das Berufungsverfahren) in Höhe von 14.187,79 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Mitteilung des Regelleistungsvolumens (RLV) und die Honorarabrechnung für das Quartal I/10. Die Rechtmäßigkeit der Mitteilungen des RLV und der Honorierung für die Quartale II/09 bis IV/09 und II/2010 sind in Parallelverfahren anhängig.
Der Kläger ist als Hausarzt mit Praxissitz in B. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und war im streitgegenständlichen Quartal der Arztgruppe der Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin, Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte, Hausärztliche Internisten zugeordnet.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 teilte die Beklagte dem Kläger das vorläufige RLV in Höhe von 54.122,40 € für das Quartal I/10 mit und wies darauf hin, dass sie lediglich eine vorläufige, ausdrücklich unter Vorbehalt gestellte Mitteilung zur Verfügung stellen könne. Die endgültige Mitteilung werde die Klägerin im Januar zusammen mit den dafür notwendigen Informationen erhalten. Weder sei die Vereinbarung mit den Krankenkassenverbänden unterschrieben, noch hätten die Berechnungen des Fallwertes abgeschlossen und überprüft werden können. Mit Bescheid vom 1. Februar 2010 setzte die Beklagte das RLV auf 50.244,33 € herab. Das RLV wurde aufgrund einer RLV-relevanten Fallzahl von 1.926,0 multipliziert mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert von 34,47 € ermittelt. Dabei kam die Abstaffelungsregelung zur Anwendung. Die Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe lag bei 813,6. Demgemäß wurden 1.220,4 Fälle mit 100% zu einem arztgruppenspezifischen Fallwert von 34,47 €, 162,7 Fälle mit 75 % des arztgruppenspezifischen Fallwertes (25,85 €), 244,1 Fälle mit 50% des arztgruppenspezifischen Fallwertes (17,24 €) und 298,6 Fälle mit 25% des arztgruppenspezifischen Fallwertes (8,62 €) eingestellt.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 19. Augst 2010 Widerspruch ein.
Das HVM-Team der Beklagten führte mit Schreiben vom 9. Juni 2009 aus, der Härtefallantrag des Klägers vom 4. Dezember 2008 für das Quartale I/2009 ff. werde abgelehnt.
Mit Bescheid vom 19. Juli 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger die Honorarabrechnung für das Quartal I/10 über eine Honorarsumme von insgesamt 91.291,48 € (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages). Die RLV-relevante Vergütung einschließlich der qualitätsgebundenen Fallwertzuschläge betrug 69.504, 33 €. Der Kläger hatte RLV-Leistungen in Höhe von 68.225,40 € abgerechnet. Die Beklagte legte ein RLV von 50.244,33 € zu Grunde und staffelte die restliche Forderung in Höhe von 17.981,07 € auf 2.274,59 € ab.
Dagegen legte der Kläger am 19. Augst 2010 Widerspruch ein und führte zur Begründung seiner Widersprüche aus: Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15. Januar 2009 sei rechtswidrig, soweit abweichend von den gesetzlichen Vorgaben von § 87b Abs. 2 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Umsatzobergrenze ermöglicht werde. Es wäre allenfalls zulässig gewesen, mit Wirkung für die Zukunft die RLV abzusenken, um mit den daraus gewonnenen Abschlägen Praxen mit einem überdurchschnittlichen Honorarverlust zu stützen. Die Regelung sei auch deswegen rechtswidrig, weil sie eine unzulässige (echte) Rückwirkung darstelle. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung sei, den Vertragsärzten im Zeitpunkt der Leistungserbringung Rechtssicherheit über das Vergütungssystem und dazu zu verschaffen, bis zu welcher Höhe sie eine Vergütung mit festen Punkten auf der Basis der geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V erhalten würden. Dieses Ziel werde unterlaufen, wenn im Nachhinein Vergütungsobergrenzen festgelegt würden, die der Arzt im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht kenne und auch nicht selber errechnen könne. Des Weiteren sei die Mitteilung des RLV verspätet erfolgt. Gemäß § 87b Abs. 5 Satz 1 SGB V müsse das RLV spätestens 4 Wochen vor Begin...