Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch des Verfahrensbeteiligten wegen überlanger Dauer des gerichtlichen Verfahrens
Orientierungssatz
1. Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs des Klägers wegen überlanger Verfahrensdauer nach § 198 GVG ist eine rechtzeitig erhobene Verzögerungsrüge. Diese ist materielle Voraussetzung eines Anspruchs auf Geldentschädigung.
2. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird. Regelmäßig gilt eine Ein-Monats-Frist. Eine Sonderregelung gilt für Verfahren, die bei Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG) bereits anhängig waren. Eine Verzögerungsrüge gilt danach als noch unverzüglich i. S. des Art. 23 S. 2 ÜGRG erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Gericht eingegangen ist.
3. Die Versäumung der Rügefrist hat zur Folge, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer vom Entschädigungsgericht nicht mehr überprüft wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der 1959 geborene Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung an ihn wegen überlanger Verfahrensdauer im Gerichtsverfahren S 22 SO 88/10 des Sozialgerichts Itzehoe und im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG).
In dem genannten Gerichtsverfahren begehrte der Kläger mit der am 12. Juli 2010 erhobenen Klage die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) über den 31. Mai 2010 hinaus. Diese Leistungen waren ihm durch den dortigen Beklagten, den Kreis Pinneberg als örtlichen Sozialhilfeträger, gestützt auf die Mitwirkungsregelungen gemäß § 60 ff. Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) vorläufig versagt worden. Ferner begehrte er die Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner Handlungen des Sozialhilfeträgers im dortigen Verwaltungsverfahren. Während des laufenden Klageverfahrens tauschten die Beteiligten zunächst Schriftsätze aus. Im Hinblick auf das parallel laufende Verwaltungsverfahren erließ der Kreis Pinneberg auch mehrere Bescheide zum Grundsicherungsanspruch des Klägers für den Zeitraum ab 1. Januar 2011. So wurde der Anspruch des Klägers auf ergänzende Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII durch Bescheide des Kreises Pinneberg vom 4. Februar 2011, 18. April 2011 und 22. Juni 2011 geregelt. Bereits mit Schriftsatz vom 9. Mai 2011 rügte der Kläger die Verfahrensverschleppung durch das Sozialgericht.
Am 27. Juni 2011 verfügte das Sozialgericht die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 22. August 2011. Mit am 5. Juli 2011 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Schreiben teilte der Kläger mit, dass er zu dem anberaumten Termin am 22. August 2011 nicht erscheinen werde. Daraufhin hob das Sozialgericht den anberaumten Termin mit Verfügung vom 26. Juli 2011 wieder auf und teilte den Beteiligten mit, dass es erwäge, über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
Mit Gerichtsbescheid vom 19. März 2012 wies das Sozialgericht Itzehoe die Klage ab.
Dagegen richtete sich die beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 29. März 2012 eingegangene Berufungsschrift des Klägers vom 28. März 2012. Gleichzeitig mit Einlegung der Berufung beantragte der Kläger auch die überlange Verfahrensdauer festzustellen. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 19. März 2012 wurde bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 9 SO 24/12 geführt und mit Urteil vom 29. Mai 2013 zurückgewiesen. Zu einer Abtrennung des Verfahrens, insoweit es gegen die Verfahrensdauer des erstinstanzlichen Verfahrens gerichtet war, kam es zunächst nicht. Am 10. Oktober 2012 hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Schadenersatz für die überlange Verfahrensdauer in Sachen S 22 SO 88/10 und L 9 SO 24/12 beantragt.
Mit Schriftsatz vom 24. April 2013 hat der Kläger im Rahmen eines Richterablehnungsgesuches klargestellt, dass seines Erachtens eine Klage zu dem eben genannten Prozesskostenhilfeantrag bereits erhoben worden sei. Daraufhin hat der erkennende Senat die Eintragung einer Klage verfügt.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger das Verwaltungshandeln des Kreises Pinneberg, welches zu dem Rechtsstreit S 22 SO 88/10 des Sozialgerichts Itzehoe geführt hat, geschildert und kritisiert. Ferner führt er aus, die Verfahrensdauer sei deshalb überlang, weil er bereits am 25. Mai 2010 Widerspruch erhoben habe und am 8. Juli 2010 die Klage eingelegt habe. Erst im Juni 2011 sei ein Termin zur mündlichen Verhandlung angeordnet worden und dann sei erst am 19. März 2012 ein Urteil gefällt worden, also knapp zwei Jahre nach Klageeinleg...