Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Gerichtsverfahren. Entschädigungsklage. Angemessenheitsprüfung. Abwarten auf entscheidungserhebliche Leitentscheidung keine inaktive Zeit. faktische Aussetzung bis zur Rechtskraft der Leitentscheidung. Zustimmung der Beteiligten nicht erforderlich. sozialgerichtliches Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Das Abwarten auf eine entscheidungserhebliche Leitentscheidung gilt als sog aktive Bearbeitungszeit mit der Folge, dass ein Verfahren trotz einer Verfahrenslaufzeit von 2 Jahren und 7 Monaten, regelmäßiger Wiedervorlagen zu Verfahrensbeginn und nachfolgender Verfügung ins Sitzungsfach keine gerichtliche Inaktivität feststellbar ist (Anschluss an BSG vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R = SozR 4-1720 § 198 Nr 4).
Das Abwarten auf eine Leitentscheidung kann dabei auch ohne förmliche Aussetzung oder einen Ruhensbeschluss vom Gestaltungsspielraum des Gerichts gedeckt sein, wenn für das Entschädigungsgericht hinreichend erkennbar ist, dass das Gericht auf eine Leitentscheidung gewartet und das Verfahren aus diesem Grund nicht gefördert hat (Anschluss an BVerwG vom 20.2.2018 - 5 B 13/17 D).
Orientierungssatz
Teilweise Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Schleswig vom 20.04.2018 - L 12 SF 46/17 EK = ZFSH/SGB 2018, 412.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.600,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer des vor dem Sozialgericht Schleswig geführten Klageverfahrens S 16 AS 468/14 (im Folgenden: Ausgangsverfahren).
Gegenstand des Ausgangsverfahrens war die Höhe der bei den Klägern zu berücksichtigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 30. Juli 2014 setzte der beklagte Kreis ... Leistungen für den Zeitraum 1. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 endgültig fest und berücksichtigte anstelle der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft in Höhe von 500,00 EUR lediglich Mietkosten in Höhe von 427,00 EUR monatlich. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der beklagte Kreis ... mit Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014 mangels nachgewiesener Vollmacht für den im Namen der Kläger handelnden Rechtsanwalt als unzulässig zurück.
Mit Schreiben vom 8. September 2014 beantragten die Kläger die Überprüfung des Widerspruchsbescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit Schreiben vom 12. September 2014, eingegangen am 18. September 2014, leitete der beklagte Kreis ... den Widerspruchsvorgang an das Sozialgericht Schleswig weiter, weil das Vorgehen angesichts der noch nicht abgelaufenen Klagefrist als Klage anzusehen sei. Am 3. Oktober 2014 erhoben die Kläger förmlich, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 2. September 2014. Zur Klagebegründung führte der Prozessbevollmächtigte umfangreich insbesondere zur Frage der fehlenden Bevollmächtigung sowie zur Frage eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten im Kreis ... aus.
Mit Verfügung vom 9. Oktober 2014 übersandte das Sozialgericht dem beklagten Kreis ... die Klageschrift zur Stellungnahme binnen einer Frist von einem Monat.
Mit Hinweisvermerken vom 10. Oktober 2014 und 20. Oktober 2014 wurde das Verfahren gemeinsam mit dem Parallelverfahren S 16 AS 408/14 vorgelegt. Gegenstand des Parallelverfahrens S 16 AS 408/14 waren ebenfalls höhere Unterkunftskosten der Kläger im vorangegangenen Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2013 bis 31. Dezember 2013 (vgl. L 12 SF 98/16 EK).
Mit Schriftsatz vom 24. November 2014, eingegangen bei Gericht am 25. November 2014, erwiderte der beklagte Kreis ... auf die Klage und verteidigte die Zurückweisung des Widerspruchs als unzulässig. Der Schriftsatz vom 24. November 2014 ist zusammen mit den weiteren Verfahren der Kläger S 16 AS 408/14 sowie S 16 AS 578/14 vorgelegt worden. Gegenstand des Verfahrens S 16 AS 578/14 waren höhere Unterkunftskosten der Kläger im Folgezeitraum vom 1. Juni 2014 bis zum 30. November 2014. Mit der Klagerwiderung vom 24. November 2014 in den Verfahren S 16 AS 408/14 und S 16 AS 578/14 wies der beklagte Kreis ... darauf hin, dass die Rechtsfrage, ob das Konzept des Kreises Nordfriesland den Anforderungen des Bundessozialgerichts (BSG) an die Schlüssigkeit genüge, bei dem 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (LSG) in diversen Verfahren (L 3 AS 126/13, L 13 AS 184 - 187/13 und L 3 AS 17/14) anhängig sei. Die Schriftsätze vom 24. November 2014 leitete das Sozialgericht dem Prozessbevollmächtigten der Kläger jeweils mit Verfügung vom 27. November 2014 zur Stellungnahme binnen Monatsfrist weiter und regte in den Parallelverfahren S 16 AS 408/14 und S 16 AS 578/14 darüber hinaus an, die Verfahren bis zur Entscheidung des LSG über die genannten Verfahren ruhend zu stellen.
Mit Schrifts...