Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten. Prüfvereinbarung von 1995. Änderung des § 106 SGB 5 durch GMG
Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten in Schleswig-Holstein auf der Grundlage der Prüfvereinbarung von 1995 auch nach der Änderung des § 106 SGB 5 (F: 1.1.2004).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. Januar 2006 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im gesamten Verfahren sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Honorarkürzungen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Quartale IV/2003 bis II/2004.
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin in F. niedergelassen. In den streitgegenständlichen Quartalen überschritt der durchschnittliche Gesamtfallwert des Klägers den der aus 192 Praxen bestehenden Vergleichsgruppe “Praktiker Stadt„ (praktische und Allgemeinärzte in Einzelpraxis in den kreisfreien Städten Flensburg, Kiel, Lübeck und Neumünster) um ca. 50 %. Da seine Honorarforderungen das nach § 12.4 des Schleswig-Holsteinischen Honorarverteilungsmaßstabs in der seit 1. Juli 2003 geltenden Fassung vom 26. März 2003 (HVM) ermittelte individuelle Punktzahlvolumen überschritten, erfolgte die Vergütung eines Teils der Leistungen mit dem in § 12.4 Nr. 1b des HVM für sog. Mehrleistungen geregelten Punktwert von 0,05 bis 1 Cent.
Die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein - Kammer Prüfung Honorar (Prüfungsausschuss) führte mit Bescheid vom 14. Oktober 2004 eine Beratung des Klägers mit der Begründung durch, dass dieser die Leistungen nach Nummern 11 und 691 EBM-Ä in den Quartalen III/03 bis I/04 ohne nachvollziehbare Gründe viel häufiger abgerechnet habe als die Vergleichsgruppe. Gleichzeitig kürzte sie die in den Quartalen IV/03 und I/04 abgerechneten Leistungen nach Nr. 10 EBM-Ä. Der Kläger hatte die Nr. 10 EBM-Ä im Quartal IV/03 in 193,9 % der Behandlungsfälle abgerechnet, während die um sog. Nullabrechner modifizierte Vergleichsgruppe die Leistungen in 62,3 % der Behandlungsfälle abgerechnet hatte. Die Abrechnungshäufigkeit des Klägers betrug danach 311,24 % im Vergleich zu der modifizierten Vergleichsgruppe. Auch im Quartal I/04 rechnete der Kläger diese Leistung mehr als dreimal so häufig ab wie die modifizierten Vergleichsgruppe (319,09 %; Ansatzfrequenz der modifizierten Vergleichsgruppe: 70,2 %, Ansatzfrequenz des Klägers: 224,2 %). Zur Berechnung der Honorarminderung wurden die den 2-fachen modifizierten Gruppendurchschnitt überschreitenden Leistungen gekürzt. Mit weiterem Bescheid vom 14. Oktober 2004 führte der Prüfungsausschuss eine Beratung bezogen auf die vom Kläger im Quartal II/2004 abgerechneten Leistungen nach Nummern 11 und 691 EBM-Ä durch und kürzte die den 2-fachen modifizierten Gruppendurchschnitt überschreitenden Leistungen des Klägers nach Nr. 10 EBM-Ä. Den modifizierten Gruppendurchschnitt hatte der Kläger in diesem Quartal um 353,58 % überschritten (Ansatzfrequenz der modifizierten Vergleichsgruppe: 69,8 %, Ansatzfrequenz des Klägers: 246,8 %).
Gegen die mit den beiden Bescheiden verfügten Honorarkürzungen für die Quartale IV/03, I/04 und II/04 legte der Kläger am 2. November 2004 Widerspruch ein und wandte sich in der Begründung grundsätzlich gegen die Prüfung nach Durchschnittswerten. Diese sei unplausibel und willkürlich. Außerdem habe der Prüfungsausschuss es versäumt, erkennbare Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen. Er habe deutlich weniger Notdienstfälle abgerechnet als der Fachgruppendurchschnitt. Da die Leistung nach Nr. 10 EBM-Ä in Notdienstfällen praktisch nicht abgerechnet werde, entstehe bei der Vergleichsgruppe ein höherer Verdünnungseffekt. Dieser müsse bei der Vergleichsprüfung berücksichtigt werden. Darüber hinaus fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Prüfungen nach Durchschnittswerten. Nach der seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) zum 1. Januar 2004 geltenden Rechtslage sei eine Prüfung nach Durchschnittswerten nur zulässig, wenn hierüber zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen, den Verbänden der Ersatzkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung eine Vereinbarung gemäß § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V geschlossen worden sei, nach der die Prüfung nach Durchschnittswerten über den 31. Dezember 2003 fortgeführt werde. Eine solche Vereinbarung sei in Schleswig-Holstein nicht getroffen worden.
Mit Bescheid vom 7. April 2005 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Rechtsgrundlage der Wirtschaftlichkeitsprüfung seien § 12 Abs. 1, § 106 SGB V. Es treffe zu, dass nach Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes ...