Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Entschädigung wegen überlanger Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens
Orientierungssatz
1. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nach § 198 Abs. 3 GVG nur, wenn er u. a. dei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat.
2. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 GVG nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
3. Bei durchschnittlicher Schwierigkeit unf Bedeutung für den Verfahrensbeteiligten des Verfahrens ist eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz als angemessen anzusetzen.
4. Bei unangemessener Dauer kann der Verfahrensbeteiligte nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG eine angemessene Entschädigung verlangen.
5. Für jeden Monat einer überlangen Verfahrensdauer ist nach § 198 Abs. 2 S. 3 GVG ein Betrag von 100.- €. festzusetzen.
Nachgehend
Tenor
Für das Berufungsverfahren L 6 AS 210/13 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht wird eine überlange Verfahrensdauer von fünf Monaten festgestellt. Insoweit wird das beklagte Land verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 21. Februar 2019 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu zwei Fünfteln, die Klägerin zu drei Fünfteln zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt eine Entschädigung in Höhe von 1.300,00 EUR wegen möglicher unangemessener Dauer des vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) geführten Berufungsverfahrens L 6 AS 210/13 (im Folgenden: Ausgangsverfahren).
Im Verfahren begehrte die Klägerin Leistungen für einen Umzug von F... nach R..., für die Einlagerung ihrer Möbel sowie im Wege eines Überprüfungsverfahrens höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung. Die Klageerhebung erfolgte am 28. Februar 2008. Im erstinstanzlichen Verfahren hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 21. November 2013 den Bescheid des Beklagten vom 20. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2008 aufgehoben. Überdies hat es den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 4. März 2008 auf die Übernahme von Umzugskosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Ausgangsverfahren verlief wie folgt:
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Dezember 2013 |
18. Dezember 2013: Einlegung der Berufung beim LSG durch Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Bl. 203 ff./Seitenzahlen beziehen sich in dieser Tabelle auf das Verfahren: L 6 AS 210/13); 20. Dezember 2013: Eingangsverfügung und Wiedervorlage an den Berichterstatter nach zwei Monaten (Bl. 208) |
Januar 2014 |
3. Januar 2014: Übersendung der Verfahrensakten durch das Sozialgericht Schleswig; 7. Januar 2014: Vorlage an Berichterstatter durch Serviceeinheit nach Eingang der Akten vom Sozialgericht/Verfügung der Wiedervorlage zur Frist durch Berichterstatter (Bl. 209 Rückseite) |
Februar 2014 |
7. Februar 2014: Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe durch Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Bl. 210f.); 10. Februar 2014: Weiterleitung zur Kenntnis und eventuellen Stellungnahme/Wiedervorlage zur Frist (Bl. 211 Rückseite) 26. Februar 2014: Bitte des Prozessbevollmächtigten der Klägerin um Fristverlängerung zur Berufungsbegründung bis zum 14. März 2014 (Bl. 214) 27. Februar: Vorlage durch die Serviceeinheit (Bl. 214 Rückseite) 28. Februar: Gewährung der Fristverlängerung durch den Berichterstatter (Bl. 214 Rückseite) |
März 2014 |
14. März 2014: Berufungsbegründung durch Prozessbevollmächtigten der Klägerin; 17. März: Vorlage durch die Serviceeinheit; 18. März 2014: Verfügung des Berichterstatters: Weiterleitung der Berufungsbegründung an den Beklagten zur Stellungnahme mit einer Frist von sechs Wochen und eine Wiedervorlage von zwei Monaten |
April 2014 |
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Mai 2014 |
19. Mai 2014: Vorlage des Verfahrens durch die Serviceeinheit an Berichterstatter/ Verfügung des Berichterstatters: Wiedervorlage zum 2. Juli 2014 zur Entscheidung über den PKH-Antrag (Bl. 227 Rückseite) |
Juni 2014 |
20. Juni 2014: Sachstandsanfrage durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Bl. 228); 23. Juni 2014: Vorlage des Verfahrens an den Berichterstatter durch die Serviceeinheit (Bl. 228 Rückseite) |
Juli 2014 |
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August 2014 |
22. August 2014: Verzögerungsrüge durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin: Auf die Berufungsbegründung vom 14. März 2014 und die Sachstandsanfrage vom 17. Juni 2014 sei eine Reaktion seitens des Gerichts nicht erfolgt. Das Verfahren sei nunmehr ein halbes Jahr nicht gefördert worden. Es bestehe daher die Besorgnis, dass das Verfahren nicht mehr in angemessener Zeit abgeschlossen werden könne (Bl. 229). 27. August 2014: Verfügung des Berichterstatters: Weiterleitung des Schreibens an den Beklagten zur Kenntni... |