Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bedürftigkeitsprüfung. Vermögensverwertung. Kapitallebensversicherung. fehlende allgemeine Härteklausel. Absenkung des Freibetrages. zusätzlicher Freibetrag
Orientierungssatz
1. Die Vorschriften der AlhiV 2002 stehen mit der Ermächtigungsgrundlage des § 206 Nr 1 SGB 3 iVm § 193 Abs 2 SGB 3 nicht in Einklang, weil in der AlhiV 2002 keine allgemeine Härteklausel mehr enthalten war (vgl BSG vom 14.09.2005 - B 11a/11 AL 71/04 R und B 11a/11 AL 75/04 R und vom 25.05.2005 - B 11a/11 AL 73/04 R und B 11a/11 AL 51/04 R = SozR 4-4220 § 6 Nr 2).
2. In der Zeit vom 1.1.2003 bis 31.12.2004 sind im Rahmen einer gesetzlichen Härtefallregelung (§ 193 Abs 2 SGB 3) zusätzlich zum generellen Vermögensfreibetrag bei einer Lebensversicherung, die gemäß § 165 Abs 1 und 2 VVG gekündigt werden konnte, 200,00 Euro pro Lebensjahr des Leistungsempfängers und seines Partners (Höchstbetrag je 13.000,00 Euro) als Härtefall privilegiert, wenn diese der Altersvorsorge dient.
3. Bei der entsprechenden Anwendung des § 12 Abs 2 Nr 3 SGB 2 in der Zeit vor dem 1.1.2005 für die Härtefallprüfung des § 193 Abs 2 SGB 3 ist auf die Voraussetzung einer vertraglichen Vereinbarung über die Nichtverwertbarkeit jedenfalls für die von § 165 Abs 1 und Abs 2 VVG betroffenen Lebensversicherungen zu verzichten (vgl BSG vom 14.09.2005, aaO und vom 17.03.2005 - B 7a/7 AL 68/04 R = SozR 4-4300 § 193 Nr 5).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. November 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 12. November 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2003 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger über den 17. Oktober 2003 hinaus Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht. Dabei geht es im Wesentlichen um Fragen der Bedürftigkeit.
Der 1944 geborene verheiratete Kläger, der aus Nigeria stammt und 1971 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, stand seit 1995 im Leistungsbezug der Beklagten. Seine Ehefrau ist 1950 geboren; sie bezog ab 1. März 2002 bis 20. Dezember 2003 Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger bezog zuletzt Alhi für den Bewilligungsabschnitt bis 17. Oktober 2003. Der wöchentliche Leistungssatz betrug ab 1. Januar 2003 117,18 € (Berechnungsgrundlagen: gerundetes Bemessungsentgelt 340,00 €, Leistungsgruppe A, Kindermerkmal 0). Eine Anrechnung von Vermögen erfolgte nicht.
Am 1. Oktober 2003 stellte der Kläger einen Fortzahlungsantrag. Dabei gab er - wie in früheren Leistungsanträgen - an, dass seine Ehefrau und er über folgende Kapitallebensversicherungen verfügten, die der Altersversorgung dienen sollten:
1. Lebensversicherung der Ehefrau des Klägers bei der H. (.),
Beginn 1. Mai 1982, Ablauf 1. Mai 2012,
Überschussguthaben zum 1. Mai 2002 9.702,00 €,
Rückkaufswert zum 1. November 2002 11.822,90 €,
Auszahlungsbetrag zum 1. November 2003 insgesamt 21.524,90 €.
2. Lebensversicherung des Klägers bei der A. ( ),
Beginn 1. September 1978, Ablauf 31. August 2004,
Rückkaufwert zum 1. November 2003 einschließlich
Überschussbeteiligung 36.823,80 €.
Mit Bescheid vom 12. November 2003 lehnte die Beklagte den Fortzahlungsantrag ab. Sie führte aus, dass der Kläger nicht bedürftig sei und deshalb keinen Leistungsanspruch habe (§§ 190, 193 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -). Er verfüge nämlich gemeinsam mit seiner Ehefrau über Vermögen in Höhe von 58.348,70 €, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei. Unter Berücksichtigung eines Freibetrages für ihn in Höhe von 31.200,00 € und für seine Ehefrau in Höhe von 10.800,00 € verblieben 16.348,70 €. Dieser Betrag sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit zu berücksichtigen.
Hiergegen legte der Kläger am 26. November 2003 Widerspruch ein. Er machte nochmals geltend, dass es sich bei dem berücksichtigten Vermögen um Rückkaufwerte aus zwei Lebensversicherungen handele, die der Altersversorgung dienen sollten. Er habe nur sehr geringe Rentenanwartschaften erworben; die zu erwartende Rente liege unter dem Sozialhilfesatz. Im Übrigen sei er mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 Schwerbehinderter. Er beanspruche Alhi lediglich bis zum voraussichtlichen Rentenbeginn am 1. April 2004. Nach Eintritt in das Rentenalter wolle er die Beträge aus den Lebensversicherungen dazu verwenden, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Seine Lebensversicherung werde im September 2004 fällig. Eine vorzeitige Kündigung sei wegen der damit verbundenen Verluste unwirtschaftlich. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Lebensversicherungen bislang von der Beklagten nicht leistungsmindernd berücksichtigt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezemb...