Entscheidungsstichwort (Thema)

Berichtigung des vertragsärztlichen Honorars durch die Kassenärztliche Vereinigung

 

Orientierungssatz

1. Es ist Sache des Vertragsarztes, die vollständige Leistungserbringung, die seiner Abrechnung zugrunde liegt, nachzuweisen. Das Erfordernis der Dokumentation ärztlicher Leistungen ergibt sich aus § 57 Abs. 1 BMV-Ä.

2. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Dokumentation steht dann einer Abrechnung der Leistung entgegen, wenn die Dokumentation nach der Leistungslegende der einzelnen Gebührenposition im EBM Bestandteil der zu vergütenden Leistung ist.

3. Bei fehlender bzw. unzutreffender Dokumentation ist die Kassenärztliche Vereinigung (KV) berechtigt, die betroffenen EBM-Ziffern vollständig zu streichen, anstatt andere geringer bewertete Ziffern oder den Fachgruppendurchschnitt zugrunde zu legen (BSG Urteil vom 6. 9. 2000, B 6 KA 17/00 B).

4. Rechtsfolge einer Abrechnungsauffälligkeit ist, dass die KV im Fall einer grob fahrlässig falschen Abrechnungs-Sammelerklärung ein weites Schätzungsermessen für die Berichtigung der Honorarabrechnung hat (BSG Urteil vom 17. 9. 1997, 6 R Ka 86/95).

5. Die Schätzung des neu festzusetzenden Honorars eröffnet der KV keinen der Gerichtskontrolle entzogenen Beurteilungsspielraum. Vielmehr hat das Gericht die Schätzung selbst vorzunehmen bzw. jedenfalls selbst nachzuvollziehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 25.11.2020; Aktenzeichen B 6 KA 6/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts K...

vom 16. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.307.025,19 Euro

festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Korrektur seiner Honorarabrechnungen betreffend den Zeitraum III/2011 bis I/2015.

Er ist niedergelassener Hautarzt mit Praxissitz in K.... Im streitigen Zeitraum hat er zahlreiche (ca. 9.000) Operationen in Form von Hautexzisionen durchgeführt. Die Dokumentationen zu diesen Operationen beinhalten keine Angaben über die Größe der malignen oder malignomverdächtigen Hautpigmentierung oder die Größe der Exzision. Eine Angabe über Länge und Breite - in der Regel jedoch nicht über die Dicke - befindet sich jeweils in den Pathologieberichten im Rahmen der Untersuchung der Exzidate.

Mit Anhörungsschreiben vom 26. Februar 2015 teilte die Beklagte dem Kläger neben anderen nicht mehr streitigen Punkten mit, dass die Abrechnung der GOP 31102 und 31103 EBM für Exzisionen bzw. radikale Exzisionen von großen malignomverdächtigen oder malignen Hautveränderungen auffällig sei. Diese Leistungsabrechnungen seien nicht nur statistisch auffällig, sondern erschienen auch deshalb unplausibel, weil die EBM-Ziffern 10343 bzw. 10344 für (Teil-) Exzisionen kleiner Hautveränderungen überhaupt nicht oder nur vereinzelt in Ansatz gebracht worden seien. Zur Prüfung der Abrechnung würden die histologischen Untersuchungsbefunde des entnommenen Materials und/oder Bilddokumentationen der prä- und postoperativen Befunde für einige beispielhafte Fälle benötigt.

Daraufhin übersandte der Kläger Dokumentationen von ca. 300 Behandlungsfällen. Er führte aus, dass er zwar prä-, jedoch keine postoperativen Fotos der entfernten Hautpartien gefertigt habe. Aus den präoperativen Fotos könne die Größe des entfernten Pigmentmals geschätzt werden. Maße enthielten die Fotos indessen nicht. Ein Rückschluss der untersuchten Hautpartien auf die ursprüngliche Größe der Exzision sei nicht möglich, da das entnommenen Material durch die Hautelastizität einerseits und die histologische Aufbereitung andererseits schrumpfe und zudem die Dicke des mitresezierten Fettgewebes nicht dokumentiert sei.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 teilte die Beklagte mit, dass sie im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers von einer maximalen Schrumpfung der Größe der Präparate von 50 % ausgegangen sei. Dennoch hätten sich zu den abgerechneten Leistungen nach der GOP 31102 EBM in keinem Fall geeignete Größenverhältnisse ergeben. Die Abrechnung der GOP 31103 EBM sei insgesamt 169 Mal überprüft und viermal als korrekt abgerechnet bewertet worden. Darüber hinaus seien zwei weitere Leistungen dieser Kategorie als fraglich korrekt angesehen und zugunsten des Klägers anerkannt worden. Vor diesem Hintergrund sei eine 100 %ige Streichung der GOP 31102 EBM sowie eine 95 %ige Streichung der GOP 31103 EBM ab dem 2. Quartal 2011 vorgesehen. In gleichem Umfang seien auch die im Zusammenhang mit den zu korrigierenden Leistungen in Ansatz gebrachten postoperativen Überwachungs- und Behandlungsleistungen zu streichen. Der Gesamtrückforderungsbetrag werde voraussichtlich rund 1.273.000 € betragen.

Hierzu führte der Kläger aus, dass nach seinen Berechnungen bei einer angenommenen Schrumpfung der Präparate von 50 % bereits bei einem Durchmesser von 4 mm und einer durchschnittlich doppelten Dicke das Mindestvolumen von 1 cm³ des Ausgangsmaterials erfüllt sei. Hinzu komme, dass...

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