Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Aufsicht. Klagebefugnis einer Krankenkasse gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde. Erstreckungsbereich geöffneter Innungskrankenkassen. Einstufung als landesunmittelbar oder bundesunmittelbar nach der jeweiligen aktuellen Situation. Zuständigkeit auch für unselbstständige Nebenbetriebsstätten. Zuständige Aufsichtsbehörde. Bundesunmittelbare Krankenkasse. Geöffnete Innungskrankenkasse. Unselbstständige Betriebsteile. Anfechtungsklage. Verwaltungsakt. Rechtsschutzbedürfnis

 

Orientierungssatz

1. Der Gesetzgeber hat mit § 54 Abs 3 SGG einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ein gesondertes Klagerecht dergestalt eingeräumt, dass mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde mit der Begründung begehrt werden kann, die Anordnung überschreite das Aufsichtsrecht. Diese Regelung dient dazu, die Anfechtbarkeit aller Maßnahmen der Aufsichts- und Mitwirkungsbehörden zu gewährleisten, die in die Rechtssphäre der Selbstverwaltungskörperschaften eingreifen. Durch sie sollen Zweifel im Hinblick auf die Gestaltung der Rechtskontrolle im Verhältnis zwischen Staatsaufsicht und Selbstverwaltung ausgeräumt werden.

2. Bei geöffneten Innungskrankenkassen hängt der Erstreckungsbereich vom Bestehen bzw Nichtbestehen von Innungsbetrieben und gegebenenfalls unselbstständigen Betriebsteilen im jeweiligen Bundesland ab, wobei nach dem Gesetz kein Zehn-Mitglieder-Kriterium (wie bei den Betriebskrankenkassen) besteht. Der Wortlaut von § 173 Abs 2 S 2 SGB 5 (“bestehen„) verdeutlicht, dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse, dh auf das gegenwärtige Bestehen oder Nichtbestehen von Innungsbetrieben ankommt.

3. Nach der Rechtsprechung des BSG ist von der sozialversicherungsrechtlichen Einheit des Betriebs auszugehen, nach der sich die Zuständigkeit einer Krankenkasse für einen (Innungs-)Betrieb stets auch auf unselbstständige Nebenbetriebsstätten erstreckt (vgl BSG vom 13.7.1978 - 8/3 RK 22/77 = SozR 2200 § 245 Nr 2).

 

Normenkette

GG Art. 87 Abs. 2; SGB IV § 90a Abs. 2; SGB V § 173 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, S. 2; SGB X § 31; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.03.2015; Aktenzeichen B 1 A 10/13 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder der Beigeladene für die Aufsicht über die Klägerin zuständig ist.

Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese ein bundesunmittelbarer Sozialversicherungsträger sei und sie in Übereinstimmung mit dem Beigeladenen die Aufsicht über die Klägerin übernehme.

Hiergegen richtet sich die am 10. Februar 2011 von der Klägerin beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhobene Klage.

Die Klägerin ist aus einer Fusion der I. und der Ia. hervorgegangen, die ursprünglich ihre Zuständigkeit nur im jeweiligen Bundesland hatten. Diese Begrenzung wurde durch Öffnungsbeschlüsse der Ia. mit Wirkung zum 2. Oktober 2001 und der I. mit Wirkung vom 1. Juli 2003 aufgegeben. Im Jahre 2007 hat die Klägerin durch Satzungsbestimmung ihren Zuständigkeitsbereich auf das Land Bremen erweitert. Gegenwärtig unterhalten einzelne Betriebe mit Versicherten bei der Klägerin unselbständige Nebenbetriebe in weiteren Bundesländern.

Der Senat hat mit Beschluss vom 22. März 2011 das Land Schleswig-Holstein beigeladen und mit weiterem Beschluss vom 14. April 2011 in dem Verfahren L 5 KR 2/11 ER festgestellt, dass die Klage vom 10. Februar 2011 aufschiebende Wirkung hat.

Zur Begründung ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, dass das Schreiben der Beklagten vom 1. Februar 2011 einen feststellenden Verwaltungsakt darstelle. Dieser sei formell rechtswidrig, da es ihm an der erforderlichen Begründung fehle. Der Verwaltungsakt sei aber auch materiell rechtswidrig. Die Beklagte gehe unzutreffend davon aus, dass es sich bei der Klägerin nunmehr um eine bundesunmittelbare Körperschaft handele. Dem liege die unrichtige Rechtsauffassung zugrunde, dass sich die Einstufung einer I. als landesunmittelbar oder bundesunmittelbar nach der jeweiligen aktuellen Situation richte, wobei ausschlaggebend für die Bewertung der Zuständigkeit einer geöffneten I. das tatsächliche Vorhandensein von betreuten Betrieben - einschließlich unselbstständiger Nebenbetriebe - in mehr als drei Bundesländern sei. Die Klägerin macht geltend, dass nach der Gesetzesbegründung zu § 173 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) demgegenüber für die Erstreckung der Zuständigkeit allein der Zustand zum Zeitpunkt der Öffnung der Kasse entscheidend sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten - anders als gegenwärtig - einzelne Betriebe mit bei ihr Versicherten keine unselbstständigen Nebenbetriebe in weiteren Ländern unterhalten. Es gelte eine statische und keine dynamische Betrachtung. Maßgeblich für die territoriale Zuständigkeit sei mithin nicht der Anknüpfungspunkt “Betrieb„, sondern der Anknüpfungspun...

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