Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des Anspruchs auf Leistungen am Leben in der Gemeinschaft von Hilfen zur angemessenen Schulbildung bei einem in einer heilpädagogischen Wohngruppe untergebrachten behinderten Schüler
Orientierungssatz
1. Für die Abgrenzung der Hilfen zur angemessenen Schulbildung und den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bei einem behinderten Schüler sind die mit der konkreten Maßnahme verfolgten Ziele und deren konkrete Ausgestaltung maßgebend.
2. Stehen bei einer stationären Unterbringung eines behinderten Schülers in einer heilpädagogischen Wohngruppe die einzelnen heilpädagogischen Leistungen des täglichen Lebens und um die Gestaltung des Zusammenlebens mit anderen und der Gestaltung der Freizeit im Vordergrund, so handelt es sich um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB 12 i. V. m. § 55 SGB 9 und nicht um Leistungen zu einer angemessenen Schulbildung nach § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB 9.
3. In einem solchen Fall ist gemäß §§ 92 Abs. 1, 19 Abs. 3 i. V. m. § 90 SGB 12 beim Leistungsberechtigten vorhandenes Vermögen einzusetzen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck
vom 25. April 2016 wird zurückgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger sind auch für
das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten einerseits die Übernahme der Kosten für die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 in einer heilpädagogischen Wohngruppe für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2014 und andererseits die Heranziehung der Kläger zu 1 und 2 zu einem Kostenbeitrag für die Zeit vom 1. August 2014 bis zum 31. Juli 2015.
Der im November 1999 geborene Kläger zu 3 ist der leibliche Sohn des Klägers zu 1 und der Klägerin zu 2, die miteinander verheiratet sind.
Beim Kläger zu 3 besteht eine ausgeprägte geistige Behinderung mit einem erheblich verzögerten kognitiven Entwicklungsstand, einer Bewegungsunruhe und Rastlosigkeit sowie eine symptomatische Epilepsie mit erheblicher Sprachentwicklungsverzögerung. Festgestellt ist ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, H und B.
Der Kläger zu 1 erzielte ein durchschnittliches Einkommen aus einer unselbstständigen Tätigkeit in Höhe von 3.350,14 EUR brutto monatlich (Stand Dezember 2013). Die Klägerin zu 2 ist auf Dauer voll erwerbsgemindert. Sie ist aufgrund einer Multiple Sklerose - Erkrankung erblindet und hat einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen, H, B, RF und Bl. Sie bezog eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 781,68 EUR (Stand Juli 2013) und eine Betriebsrente in Höhe von 152,50 EUR (Stand Juli 2013) und zudem Landesblindengeld.
Für den Kläger zu 3 erhielten die Kläger zu 1 und zu 2 Kindergeld.
Der Kläger zu 3 besuchte seit seiner Einschulung im Schuljahr 2006/2007 und auch im streitgegenständlichen Zeitraum die W...-Schule in A..., ein Förderzentrum mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung in der Trägerschaft des Kreises Stormarn.
Am 10. September 2010 stellten der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 beim Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme ab Oktober 2010 für die stationäre Unterbringung in der heilpädagogischen Wohngruppe für Kinder mit Behinderungen in SA..., deren Trägerin die Lebenshilfewerk S... gGmbH ist. Sie begründeten den Antrag damit, dass es ihnen insbesondere aufgrund der Behinderung der Klägerin zu 2 unmöglich sei, ihren Sohn in seiner Entwicklung adäquat zu fördern, ohne sich selbst zu überlasten. In der Wohngruppe würden ihm diejenigen Hilfen, Anleitungen und Unterstützungen geboten, die notwendig seien, um die für eine eigenständigere Lebensgestaltung erforderlichen Fähigkeiten zu verbessern und zu erweitern.
Für die stationären heilpädagogischen Wohngruppen der Lebenshilfewerk S... gGmbH bestand mit Datum vom 26. April 2005 eine unbefristete Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein.
Am 9. Oktober 2010 wurde der Kläger zu 3 in die Wohngruppe aufgenommen.
Am 24. November 2010 fand ein Hilfeplangespräch statt. Als Ergebnis wurde in einer Stellungnahme des Beklagten vom 30. November 2010 festgehalten, dass die Betreuung in einer heilpädagogischen Wohngruppe angemessen und notwendig sei, um dem Kläger zu 3 eine qualifizierte Förderung und pädagogisch notwendige Strukturierung zu geben.
Mit Bescheid vom 1. März 2011 bewilligte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die stationäre Betreuung des Klägers zu 3 in der heilpädagogischen Wohngruppe der Lebenshilfe S... in SA... für die Zeit vom 9. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011. Der Bescheid enthielt die Regelung, dass die Leistung nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes jeweils für einen Monat weiterbewilligt werde, sofern sich keine...