Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittel. Anspruch auf Versorgung mit kabellosem Fußhebersystem mit Neurostimulation zum unmittelbaren Behinderungsausgleich
Leitsatz (amtlich)
Versicherte, die aufgrund eines Schlaganfalls an einer Gangstörung leiden, haben Anspruch auf das Fußhebersystem Bioness L 300 oder ein gleichwertiges kabelloses Fußhebersystem mit Neurostimulation, wenn die Versorgung dem unmittelbaren Ausgleich der Behinderung dient.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 6. Oktober 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte zur Versorgung der Klägerin mit dem Bioness L 300 oder einem für die Klägerin gleichwertigen ebenfalls kabellosen Fußhebersystem mit Neurostimulation verurteilt wird.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit dem Fußhebersystem Bioness L 300.
Die 1945 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet nach einem Schlaganfall, den sie im Jahr 1969 erlitten hatte, an einer Halbseitenlähmung links. Im Bereich des linken Armes besteht eine Spastik. Die linke Hand ist gebrauchsunfähig. Im Bereich des linken Beines besteht eine Muskeltonuserhöhung des Ober- und Unterschenkels sowie teilweise im Bereich der Fußmuskulatur mit Krallenzehenbildung bei externen Reizen. Darüber hinaus liegt eine ausgeprägte linksbetonte Ödemneigung im Bereich der Unterschenkel vor. Im Jahr 2008 wurde die Klägerin nach einer Oberschenkelhalsfraktur links mit einem künstlichen Hüftgelenk versorgt.
Am 17. Dezember 2015 ging bei der Beklagten ein Kostenvoranschlag des Sanitätshauses S. & J. GmbH für das Bioness L 300 - System ein (5.875,64 EUR) mit einer Verordnung der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dres. A., T., T.-A., W. vom 9. Dezember 2015. Das Sanitätshaus bat um Genehmigung der Versorgung und führte aus, dass das System erfolgreich getestet worden sei.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, bei dem beantragten Produkt handele es sich nicht um ein Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Klägerin erhob am 5. Januar 2016 Widerspruch. Sie machte geltend, dass sie von dem Hilfsmittel profitiere. Bei dessen Verwendung werde nicht nur die Außenkante des Fußes belastet, sondern auch die Innenseite, so dass die Schmerzen im Fuß geringer und ihr Gang aufrechter sei. Ohne das Fußhebersystem sei sie in der Vergangenheit mehrfach gestürzt. Es handele sich bei dem streitgegenständlichen Hilfsmittel in erster Linie um eine Mobilitätshilfe, die ein besseres und sichereres Laufen ermögliche. Ein günstigeres Hilfsmittel, welche die Behinderung in gleicher Weise ausgleiche, sei am Markt nicht erhältlich. Deshalb sei die ärztlich verordnete Versorgung auch nicht unwirtschaftlich.
Die Beklagte holte das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nord (MDK) vom 3. März 2016 ein. Dr. Ta. führte hierin aus, dass das Gangbild unter Nutzung der mechanischen Fußheberorthese sich nicht wesentlich von dem bei Nutzung der myoelektrischen Orthese unterscheide. Ein Gebrauchsvorteil gegenüber einer mechanischen Fußheberorthese sei nicht erkennbar. Die Beklagte bat den MDK um erneute Stellungnahme zu dem Argument der Klägerin, dass eine Standardorthese nicht getragen werden könne, weil diese nach kurzer Tragezeit zu einem Lymphstau führe. Der MDK (Dr. K.-V.) erstattete das Gutachten vom 11. März 2016, in dem der Verdacht auf eine ungenügende, qualitativ nicht angemessene Versorgung mit einem Hilfsmittel geäußert und der Krankenkasse empfohlen wurde, sich mit dem Leistungserbringer in Verbindung zu setzen, um eine sachgerechte, in Art, Umfang und Qualität nicht zu beanstandende Hilfsmittelversorgung zu erreichen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, die beantragte Versorgung entspreche nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach müssten die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürften das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen. Ein Gebrauchsvorteil gegenüber einer mechanischen Orthese sei vorliegend nicht erkennbar. Auch sei der medizinische Nutzen eines derartigen myo-elektrischen Fußhebersystems im häuslichen Bereich bzw. die Alltagstauglichkeit bisher nicht auf höherem evidenzbasiertem Niveau belegt. Neben der Versorgung mit einer mechanischen Orthese werde zudem die Durchführung von krankengymnastischen Behandlungen empfohlen.
Die Klägerin hat am 26. April 2016 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben. Sie hat vorgebracht, dass si...