Entscheidungsstichwort (Thema)
Garagentür. Privaträume. Akten. Rechtsanwalt. Arbeitsgerät. Verwahrung. Beförderung
Leitsatz (amtlich)
- Ein Rechtsanwalt, der aus der Kellergarage kommend im Inneren seines Privathauses auf der Treppe zu den Wohnräumen stürzt, erleidet keinen versicherten Unfall.
- Dies gilt auch, wenn er Akten mit sich führt, die er abends an einem Sekretär im Wohnbereich bearbeiten will. Hauptzweck seines Weges ist, den Abend und die Nacht in seinem Privatbereich zu verbringen, und nicht die Beförderung von Akten.
- Wer Arbeitsgerät befördert, befindet sich nicht auf einen Weg zur Verwahrung.
Normenkette
SGB III § 8
Verfahrensgang
SG Itzehoe (Urteil vom 30.08.2004; Aktenzeichen S 4 U 69/03) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 30. August 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Entschädigungsleistungen aus der Versicherung des am 28. Dezember 2002 verstorbenen Ehemannes der Klägerin Dietrich G… (Versicherter).
Der am … 1924 geborene Versicherte war bei der Beklagten als selbständiger Rechtsanwalt freiwillig versichert. Der Versicherte nahm regelmäßig Akten aus seiner Kanzlei zur Bearbeitung mit in das mit der Klägerin gemeinsam bewohnte Einfamilienhaus. Aus dem Büro kommend fuhr er regelmäßig mit dem Auto in die im Keller seines Hauses befindliche Garage. Diese war mit einem festen Garagentor verschlossen. Von der Garage gelangte man durch eine Tür in den Keller und von dort aus über eine Treppe ins Parterre. Um das Parterre zu betreten, musste oben an der Kellertreppe eine Tür durchschritten werden. Im Parterre befand sich unter anderem auch der Wohnbereich, der in einen Essbereich und einen gemütlichen Teil mit Sofa und Sesseln aufgeteilt war. An der Grenze zwischen diesen beiden offenen Bereichen stand ein Sekretär, an dem der Versicherte die aus dem Büro mitgenommenen Akten bearbeitete und bis zum nächsten Tag aufbewahrte. Ein eigenes Arbeitszimmer stand ihm im Haus nicht zur Verfügung.
Am 5. November 2002 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass der Versicherte am 2. Oktober 2002 aus dem Büro kommend auf dem Weg in die Wohnung einen Unfall erlitten habe. In einem persönlichen Gespräch mit dem Mitarbeiter der Beklagten Herrn R… am 19. November 2002 schilderte die Klägerin, dass der Versicherte nach dem Mittagessen gegen 15:00 Uhr erneut ins Büro gefahren sei. Er müsse gegen 17:30 Uhr wieder nach Hause gekommen sein. Gegen 18:00 Uhr habe sie den Versicherten im Keller vor der Treppe in einer riesigen Blutlache liegend gefunden. Der Versicherte sei nicht mehr ansprechbar gewesen. Auf der Kellertreppe hätten mehrere Akten verstreut gelegen, die der Versicherte bei sich gehabt habe.
Der Versicherte erlitt infolge des Sturzes unter anderem ein offenes Schädel-Hirn-Trauma 3. Grades, eine Blutungsanämie sowie eine akute Linksherzdekompensation mit paroxysmaler Tachyarrhythmia absoluta und Pleuraergüssen beidseits (Bericht des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H… vom 23. Oktober 2002). Er befand sich seit dem Unfalltag in einem Wachkomazustand (Appallisches Syndrom), aus dem er bis zu seinem Tode am 28. Dezember 2002 nicht mehr erwachte.
Die Beklagte zog unter anderem Befundberichte des Klinikums der Christian-Albrechts-Universität zu K… – Klinik für Neurologie – vom 9. Juli 1999, 14. Juli 1999 und 8. März 2000 sowie von Prof. Dr. M… (Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik K…) vom 30. April 1999 und 30. Juni 1999 bei. Danach litt der Kläger seit dem Jahre 1990 an einer progredienten Stand- und Gangataxie. Am 20. August 1998 war der Kläger auf dem Weg zum Büro gestolpert und gestürzt. Privatdozent Dr. J… (Krankenhaus I…) hatte damals in dem D-Arztbericht vom 12. August 1998 einen arteriellen Hypertonus, eine Ataxie sowie einen Zustand nach Kopfplatzwunde links frontal diagnostiziert.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Für den Sturz sei nicht ein äußeres Ereignis, sondern aufgrund der Vorerkrankungen des Versicherten vermutlich eine innere Ursache verantwortlich. Die Beweislosigkeit gehe zu Lasten des Versicherten. Selbst wenn eine äußere Ursache angenommen würde, sei fraglich, ob der Versicherte zum Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachgegangen sei. Es liege kein Wegeunfall vor, da der Versicherte bereits die Außentür des Wohnhauses durchschritten habe und der Versicherungsschutz mit Betreten des Hauses ende. Es sei nicht geklärt, ob der Versicherte zunächst einer persönlichen Verrichtung oder seiner Arbeit am Sekretär habe nachgehen wollen. Eine versicherte Tätigkeit im häuslichen Bereich sei daher nicht nachgewiesen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein: Es liege ein äußeres Ereignis vor, da der Versicherte durch einen Sturz a...