Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft durch den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Für einen Zweipersonenhaushalt gilt eine Wohnfläche von 60 qm als angemessen. Die Ermittlung der angemessenen Miete nach § 22 SGB 2 hat auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu erfolgen, welches die regionale Angemessenheitsgrenze enthält.
2. Dabei hat die Datenauswertung schlüssig unter Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze zu erfolgen. Die aus der Datenauswertung gezogenen Schlüsse müssen vollständig dokumentiert sein.
3. Das Sozialgericht hat den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 eigenständig auszufüllen. Es unterliegt in diesem Zusammenhang einer eigenen Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG.
4. In gleicher Weise gilt dies für die Ermittlung der angemessenen kalten Betriebskosten.
5. Bei unangemessenen Kosten der Unterkunft ist der Grundsicherungsberechtigte zu einem Wohnungswechsel verpflichtet. In einem solchen Fall ist der Grundsicherungsträger nur für einen Zeitraum von sechs Monaten zur Zahlung der überhöhten Unterkunftskosten verpflichtet.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. Juli 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel der Kosten des Vorverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Arbeitslosengeldes II für die Monate Oktober bis Dezember 2012 und dabei insbesondere über die Höhe der zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft.
Die am … 1966 geborene Klägerin stand nach vorangegangenem Sozialhilfebezug von Januar 2005 bis Mai 2006 und nach einem zwischenzeitlichen Umzug nach C… - wo sie ebenfalls Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom dortigen Träger erhielt - seit dem 1. Juli 2010 erneut beim Beklagten im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II. Sie bewohnte seit dem 1. Juli 2010 gemeinsam mit ihrem am … 2002 geborenen Sohn L… eine im D… Weg 3 in P... gelegene 59,88 qm große 2-Zimmer-Wohnung. Vor ihrem Einzug in die Wohnung hatte ihr der Beklagte mit Schreiben vom 7. April 2010 bescheinigt, dass die Miete für die Wohnung nur in Höhe von bis zu 446,00 EUR zuzüglich angemessener Heizkosten angemessen sei und die Klägerin den Differenzbetrag zur tatsächlichen Bruttokaltmiete selbst aufzubringen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 100 der Leistungsakte Bezug genommen.
Die monatliche Miete für die Wohnung belief sich ab dem 1. Dezember 2011 und auch noch im hier streitigen Zeitraum auf 399,00 EUR nettokalt und 108,00 EUR Betriebskosten, insgesamt 507,00 EUR bruttokalt. Zudem war eine Heizkostenvorauszahlung von 77,00 EUR zu leisten.
Am 2. Dezember 2011 forderte der Beklagte die Klägerin auf, die Kosten der Unterkunft auf den für zwei Personen gemäß der Mietobergrenze des Kreises Pinneberg angemessenen Höchstbetrag von 413,00 EUR abzusenken. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 268 der Leistungsakte Bezug genommen. Die Klägerin erklärte daraufhin am 9. Dezember 2011, den die Obergrenze der Unterkunftskosten übersteigenden Betrag selbst zahlen zu wollen.
Am 6. August 2012 zog der Sohn der Klägerin aus der Wohnung zu seinem Vater in das Vereinigte Königreich. Wegen einer offenen Rückkehrperspektive erkannte der Beklagte jedoch in der Folgezeit einen Unterkunftsbedarf der Klägerin für einen Zweipersonenhaushalt an.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Änderungsbescheid vom 21. November 2012 Arbeitslosengeld II für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Dezember 2012 in Höhe von insgesamt monatlich 787,00 EUR unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 413,00 EUR. Die tatsächlichen Heizkosten in Höhe von 77,00 EUR berücksichtigte er nicht.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19. Dezember 2012 Widerspruch mit der Begründung ein, dass ihre tatsächlichen Unterkunftskosten nicht unangemessen hoch und deshalb vom Beklagten in vollem Umfang zu berücksichtigen seien.
Zum 1. Februar 2013 bezog die Klägerin im selben Haus eine 43,19 qm große Einzimmerwohnung, für die sie eine Miete von 288,00 EUR nettokalt zzgl. 78,00 EUR Betriebs- und 61,00 EUR Heizkostenvorauszahlung zu entrichten hatte.
Mit Änderungsbescheid vom 18. April 2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum 1. Oktober 2012 bis 31. Dezember 2012 Leistungen in Höhe von 897,00 EUR. Dabei berücksichtigte er nunmehr Bedarfe für Unterkunft in Höhe von 446,00 EUR bruttokalt und für Heizung in Höhe der Vorauszahlung von 77,00 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin nach Erteilung des Änderungsbescheids vom 18. April 2013 als unbegründet zurück. Bedarfe für Unterkunft seien im Umfang von 446,00 EUR zu berücksichtigen, weil er der Übernahme von Aufwendungen in dieser Höhe mit Schreiben vom 7. April 2010 zugestimmt habe. Auch Heizkosten seien in Höhe de...