Entscheidungsstichwort (Thema)
Jugendhilfe. Tagespflege. Tagespflegeperson. nachgewiesene Tagespflegeperson. Aufwendungsersatz. Kosten der Erziehung. Anspruchsberechtigung
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf Aufwendungs- und Kostenersatz nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII steht der nachgewiesenen Pflegeperson zu.
2. Während die Vermittlung und die Feststellungen nach § 23 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII im (Kann-)Ermessen des Jugendamtes stehen, ist es – von atypischen Fällen abgesehen – zum Aufwendungsersatz kraft Bundesrechtes verpflichtet, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Für eine abweichende landesrechtliche Regelung ist kein Raum.
3. Die Höhe des Aufwendungs- und Kostenersatzes lassen sich nach den überarbeiteten Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Ausgestaltung der Tagespflege nach § 23 KJHG bemessen.
Normenkette
SGB VIII § 23 Abs. 3 S. 2; SGB § 24; SGB VIII § 26; KiTaG § 30 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger beantragte unter dem 27. Dezember 1995 die Kostenübernahme für die Tagespflege seines am 03. Februar 1992 geborenen Sohnes C. ab dem 01. April 1996. Hierzu gab er an, dass seine Frau ganztägig berufstätig sei und er eine Weiterbildungsmaßnahme durchführe, so dass sein Sohn ab April 1996 ganztägig in Tagespflege bei Frau B. untergebracht sei. Ein Ganztagesplatz im Kindertagesheim G. sei nicht frei.
Mit Bescheid vom 19. April 1996 in der Fassung des Bescheides vom 26. April 1996 bewilligte der Beklagte dem Kläger einen Förderbetrag in Höhe von 125,00 DM monatlich. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 1996 Widerspruch ein und begehrte die Übernahme der Kosten der Tagesmutter. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 1996 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 24. Juni 1996 Klage erhoben und geltend gemacht, vom Kreis L. würden die Unterbringungskosten eines Kindes bei der Tagesmutter seines Sohnes fast vollständig übernommen. Die Förderung der Kosten der Tagespflege seines Sohnes in Höhe von nur 125,00 DM monatlich verstoße gegen den Gleichheitssatz.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 19. April 1996 und 26. April 1996 insoweit aufzuheben, als keine höhere Beihilfe als monatlich 125,00 DM gewährt wurde sowie den Widerspruchsbescheid vom
29. Mai 1996 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für die Zeit vom 01. April 1996 bis zum 30. Juni 1997 höhere Betreuungskosten zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat ausgeführt: Mangels eines erzieherischen Defizits bei dem Sohn des Klägers käme eine weitergehende Förderung nach § 27 SGB VIII nicht in Betracht. Der Kläger erhalte Förderung nach § 23 KJHG gemäß den Richtlinien zur Förderung von Kindern in Tagespflege im Kreis Stormarn. Gemäß § 30 KiTaG werden die Kosten der Tagespflege durch Teilnahmebeiträge oder Gebühren, Eigenleistungen des Trägers und Zuschüssen der Gemeinde sowie des örtlichen Trägers der Jugendhilfe aufgebracht. Dies bedeutet, dass nicht er allein, sondern unterschiedliche Stellen an der Finanzierung von Tagespflege gemäß § 23 SGB VIII beteiligt seien.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage des Klägers stattgegeben und den Beklagten verpflichtet, für die Zeit vom 01. April 1996 bis zum 30. Juni 1997 eine Betreuungsbeihilfe in Höhe von 614,00 DM monatlich zu zahlen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 23 Abs. 3 SGB VIII sollten die Kosten für die Tagespflege eines Kindes seitens des Jugendamtes übernommen werden. Dieser Anspruch stehe auch dem Personensorgeberechtigten – hier also stellvertretend für die Eltern – dem Vater von C. zu. Nach den „Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Ausgestaltung der Tagespflege nach § 23 KJHG” betrage allein der Aufwendungsersatz für jüngere Kinder 614,00 DM. Demnach sei die hier gewährte Betreuungsbeihilfe von 125,00 DM wesentlich zu gering. Der Beklagte könne sich nicht auf seine Richtlinien zur Förderung von Kindern in Tagespflege und somit eine Ermessensbindung berufen, denn nach diesen Richtlinien würde offensichtlich nur eine völlig unzureichende Beihilfe gewährt. § 23 Abs. 3 KiTaG gehe von einem Ersatz der Kosten der Erziehung und der Aufwendungen aus. Es möge auch zulässig sein, eine gewisse Pauschale zu gewähren. Dabei könne berücksichtigt werden, dass der Kostenbeitrag im unteren Bereich der tatsächlichen Kosten und des Anerkennungsbetrages für die Erziehung angesiedelt werden könne, um den öffentlichen Haushalt zu schonen. Daher sehe das Gericht die Übernahme von monatlichen Kosten in Höhe von 614,00 DM für angemessen und ausreichend an. Die Kosten der Tagespflege würden damit nicht völlig aus dem privaten Bereich in denjenigen der öffentlichen Hand verlagert.
Der Beklagte hat am 20. März 1997 die Zulassung der Berufung gegen das ihm am 03. März 1997 zugestellte Urteil beantragt. Der seinerzeit zuständige 1. Senat hat mit Beschluss vom
05. März 1999 – dem Beklagten zugestellt am 10. März 1999 – die Berufung zugelassen.
Mit der am 08. April 1999 bei Gericht eingegangenen Berufungsbegründung macht der Beklag...